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Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Titel: Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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und Eifersucht, sondern auch den Mut zu töten?
Hatte sie Angst für ihren dummen Mann, Angst vor Rodes Beförderung, vor seiner
Klugheit? War sie wirklich so zornig, als Stella es ablehnte, sich an dem
gemeinsamen Wettkampf um Vornehmheit zu beteiligen?
    Rigby
hatte recht - das zu wissen war unmöglich. Man mußte krank, mußte bettlägerig
sein, um das zu verstehen, man mußte dort im Sanatorium sein, nicht wochen-,
sondern jahrelang, mußte eines in der Reihe der weißen Betten sein, um den
Geruch ihres Essens und die Gier in ihren Augen zu kennen. Man mußte es hören
und sehen, ein Teil davon sein, um ihre Spielregeln zu kennen und ihre
Übertretungen dieser Regeln zu begreifen. Diese Welt war in eine Form anomaler
Konventionen zusammengepreßt: blind, pharisäerhaft, aber real.
    Und doch
zeichnete sich einiges deutlich genug ab: die seltsame Bindung, die Felix
D'Arcy und Terence Fielding trotz ihrer gegenseitigen Abneigung aneinanderkettete;
D'Arcys Widerstreben, über die Mordnacht zu sprechen; daß Fielding offenkundig
Stella Rode ihrem Mann gegenüber vorzog; Shane Hechts Geringschätzung aller.
    Er konnte
Shane nicht aus seinen Gedanken verdrängen. Wäre Carne ein rationaler Ort
gewesen und jemand mußte dort sterben, dann hätte es eigentlich Shane Hecht
sein müssen. Sie speicherte die Geheimnisse anderer Leute, sie hatte einen
untrüglichen Sinn für ihre Schwächen. Hatte sie nicht sogar Smiley ertappt? Sie
hatte ihn mit seiner unglücklichen Heirat verspottet, sie hatte zu ihrem
eigenen Vergnügen mit ihm gespielt. Ja, sie war als mögliches Opfer eines
Mordes großartig geeignet.
    Aber
warum, in aller Welt, mußte Stella Rode sterben? Warum und wie? Wer
verschnürte das Paket nach ihrem Tod? Und warum?
     
    Er
versuchte zu schlafen, aber er konnte es nicht. Als die Abteiglocke drei
schlug, machte er schließlich wieder Licht und setzte sich auf. Das Zimmer war
viel wärmer, und zuerst dachte Smiley, ob wohl jemand mitten in der Nacht die
Zentralheizung angestellt hatte, nachdem sie den ganzen Tag nicht in Betrieb
gewesen war. Dann nahm er das Rauschen des Regens wahr; er ging zum Fenster und
zog die Vorhänge zurück. Ein stetiger Regen fiel; bis morgen würde der Schnee
fortgewaschen sein. Zwei Polizisten gingen langsam die Straße hinunter; er
konnte das Platschen ihrer Stiefel hören, als sie in den schmelzenden Schnee
traten. Ihre nassen Umhänge schimmerten im Lichtkegel der Straßenlampe.
    Und
plötzlich schien er Rigbys Stimme zu hören: »Überall Blut. Wer sie auch getötet
hat, muß davon bedeckt gewesen sein.« Und dann die Verrückte Janie, die ihm
über den mondhellen Schnee zurief: »Janie hat ihn gesehen... Silberflügel wie
Fische... fliegend auf dem Wind... nicht viele haben den Teufel fliegen
sehn...« Natürlich, das Paket! Er blieb lange am Fenster und starrte in den
Regen hinaus. Schließlich stieg er, nun doch zufrieden, ins Bett zurück und
schlief ein.
     
    Er
versuchte den ganzen Morgen, Miss Brimley anzurufen. Jedesmal war sie
ausgegangen und hatte keine Nachricht hinterlassen. Gegen Mittag erreichte er
sie endlich.
    »George,
es tut mir furchtbar leid - irgendein Missionar ist in London - ich mußte
wegen eines Interviews hingehen und habe diesen Nachmittag eine
Baptistenkonferenz. Beides muß in dieser Woche sein! Genügt es morgen als
erstes?«
    »Ja«,
sagte Smiley. »Sicher.« Es gab keine besondere Eile. Da waren sowieso ein oder
zwei offene Fragen, die er an diesem Nachmittag erledigen wollte.
     
    UNGEMÜTLICHE WORTE
     
    Die
Autobusfahrt amüsierte ihn. Der Fahrer war ein sehr griesgrämiger Mann, der über
die Busgesellschaft und die Ursachen ihres Defizits allerhand zu sagen hatte.
Von Smiley sanft ermutigt, taute er immer mehr auf, so daß er bei ihrer Ankunft
in Sturminster die Direktoren der Allgemeinen Verkehrsgesellschaft von
Dorsetshire in eine Herde von Schweinen der Gadarener verwandelt hatte, die dem
Abgrund freiwilligen Bankrotts zustürmten. Der Chauffeur wies Smiley den Weg
zum Zwinger von Sturminster, und als er in dem winzigen Dorf ausstieg, machte
er sich zuversichtlich zu einer Gruppe von Katen auf den Weg, die etwa
vierhundert Meter hinter der Kirche an der Okeford-Straße standen.
    Er hatte
das unangenehme Gefühl, daß er Mr. Harriman nicht sympathisch finden werde.
Allein die Tatsache, daß D'Arcy ihn als einen überragenden Könner bezeichnet hatte,
nahm Smiley gegen ihn ein. Smiley war nicht gegen gesellschaftliche Unterschiede,
aber er

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