Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Titel: Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
hinter sich schloß und die lange Straße hinabfuhr. In
einer Viertelstunde würde er in Carne sein; es ging praktisch die ganze
Strecke bergab.
     
    Gewöhnlich
liebte er die Rückfahrt. Sie war der beste Teil der Woche. Aber an diesem Abend
achtete er kaum darauf. Er fuhr rasch, wie immer; die Hecke raste gegen den
dunklen Himmel, und die wilden Kaninchen flüchteten vor dem Strahl seiner
Lampe; aber heute abend bemerkte er sie kaum.
    Er würde
es jemand sagen müssen. Er hätte es Mrs. Harlowe sagen sollen; hätte er das nur
getan! Sie würde wissen, was er tun sollte. Bei Mr. Snow wäre es auch gegangen,
aber der war in Naturwissenschaft ja nicht mehr sein Lehrer, sondern Rode. Das
war der halbe Kummer. Das und Fielding.
    E konnte
es True sagen - ja, der würde er es sagen. Er würde heute nach der
Abendkrankenvisite zu Miss Truebody gehen und ihr die Wahrheit sagen. Sein Vater
würde es natürlich nie verwinden, weil es Versagen bedeutete und vielleicht
Schande. Es bedeutete, daß er am Ende des nächsten Semesters nicht nach
Sandhurst auf die Militärakademie kommen würde, es bedeutete noch mehr
Ausgaben, für die sie nicht das Geld aufbringen konnten...
    Jetzt
näherte er sich dem steilsten Teil der abfallenden Straße. Die Hecke hörte an
einer Seite auf und gab einen wunderbaren Blick auf Schloß Sawley gegen den
Abendhimmel frei; es war wie ein Prospekt für »Macbeth«. Er liebte das
Theaterspielen, hätte gewünscht, der Direktor ließe sie in Carne Theater
spielen.
    Er beugte
sich über die Lenkstange nach vorn und ließ das Rad schneller laufen, um die
seichte Furt am unteren Ende des Hügels zu durchfahren. Die kalte Luft schnitt
ihm ins Gesicht, und einen Augenblick vergaß er beinahe... Plötzlich bremste
er; fühlte das Rad wild unter sich weggleiten.
    Irgend
etwas stimmte nicht; voraus war ein Licht, ein blitzendes Licht, und eine
vertraute Stimme rief ihm durch die Dunkelheit eindringlich zu.
     
    DIE ART DER GNADE
     
    Das
Internatsschulen-Komitee für Flüchtlingshilfe (Patronin: Sarah, Gräfin von
Sawley) hat ein Büro am Belgrave Square. Es ist durchaus nicht klar, ob diese
luxuriöse Lage dazu bestimmt ist, die Reichen zu verlocken oder die Enterbten
zu ermutigen - oder, wie einige respektlose Stimmen in der Gesellschaft
wisperten - die Gräfin von Sawley mit einem billigen pied-á-terre im Londoner Westend zu versehen.
Die Aufgabe der Flüchtlingshilfe ist geziemenderweise auf das Südufer der
Themse verbannt worden, auf einen der ungepflegten Plätze von Kennington, die
ein Teil der architektonischen Schizophrenie von London sind. York Gardens, wie
der Platz heißt, wird eines Tages von der Welt entdeckt werden und seinen
Charme verlieren, aber suchen Sie ihn jetzt auf, und Sie können dort richtige Kinder
auf der Straße Himmel und Hölle spielen sehen und ihre Mütter, die mit
Pantoffeln in der Haustür stehen, mit ihnen schimpfen hören.
    Miss
Brimley, durch Smileys Telefonanruf vom Vortag auf ihren Weg geschickt, hatte
die ungewöhnliche Gabe, mit Kindern zu sprechen, als seien sie menschliche
Wesen, und entdeckte so ohne Schwierigkeiten das verfallene Haus ohne Namen,
das dem Komitee als Sammelzentrale diente. Mit der Assistenz von sieben kleinen
Jungen zog sie die Klingel und wartete geduldig. Endlich hörte sie klappernde
Schritte eine läuferlose Treppe herunterkommen, und die Tür wurde von einem
sehr schönen Mädchen geöffnet. Sie sahen einander einen Moment mit Wohlwollen
an.
    »Entschuldigen
Sie die Störung«, begann Miss Brimley, »aber eine Freundin von mir auf dem
Lande hat mich gebeten, Erkundigungen über ein Kleiderpaket einzuziehen, das
vor ein oder zwei Tagen hierher geschickt wurde. Sie hat einen ziemlich dummen
Fehler gemacht.«
    »Du meine
Güte, wie schrecklich«, sagte das Mädchen freundlich. »Möchten Sie nicht
hereinkommen? Alles ist schrecklich chaotisch, fürchte ich, und es gibt hier
keine Sitzgelegenheit, aber wir können Ihnen Instant-Kaffee in einem Becher
anbieten.«
    Miss
Brimley folgte ihr in das Haus und schloß die Tür fest vor den sieben Kindern,
die in ihrem Kielwasser sanft nach vorne drängten. Sie war in der Halle. Wo
sie auch hinsah, lagen Pakete jeder Art, einige in Jute mit schicken Anhängern
verpackt, einige in zerrissenem und unordentlichem Packpapier, einige in
Lattenkisten und Wäschekörben, alten Handkoffern und sogar in einem
antiquierten Kabinenkoffer mit einem vergilbten Zettel, auf dem zu lesen stand:
»Wird auf der Überfahrt

Weitere Kostenlose Bücher