Carte Blanche - Ein Bond-Roman
Bond irgendwie reagieren konnte, drückte Hydt eine Kurzwahltaste seines Mobiltelefons und schaute auf das Display. »So, das Signal wurde übermittelt. Mal sehen.«
Alle starrten schweigend den Fernsehschirm an. Es lief gerade ein Bericht über die königliche Familie. Nach einigen Minuten brach er abrupt ab. Der Schirm wurde erst dunkel, dann blinkte ein greller schwarz-roter Schriftzug auf:
Eilmeldung
Es wurde zu einer modisch gekleideten Asiatin umgeschaltet, die an einem Tisch in der Nachrichtenzentrale saß. Mit zitternder Stimme las sie vor: »Aus aktuellem Anlass unterbrechen wir unser Programm. Wie verlautet, hat sich in York eine Explosion ereignet, offenbar durch eine Autobombe … Die Behörden teilen soeben mit, es sei eine Autobombe explodiert und habe ein Universitätsgebäude weitgehend zerstört … Wir erfahren gerade … ja, das Gebäude befindet sich auf dem Gelände der Yorkshire-Bradford University … Uns liegt ein Bericht vor, dass zum Zeitpunkt der Explosion Vorlesungen stattgefunden haben und die der Bombe am nächsten gelegenen Räume vermutlich voll besetzt gewesen sind … Bislang hat sich niemand zu dem Anschlag bekannt.«
Bond atmete durch seine fest zusammengebissenen Zähne und konnte den Blick nicht von dem Bildschirm abwenden. Doch Severan Hydts Augen funkelten triumphierend. Und alle anderen im Raum applaudierten begeistert, als hätte ihr Lieblingsstürmer gerade ein Tor bei der Weltmeisterschaft geschossen.
58
Fünf Minuten später traf ein Fernsehteam am Ort des Geschehens ein und übertrug die Bilder der Tragödie in die ganze Welt. Man sah ein halb zerstörtes Gebäude, Rauch, einen Boden voller Glas und Trümmer, umherrennende Sanitäter, Dutzende von Polizeiwagen und mehrere Löschzüge. Die Laufschrift am unteren Bildschirmrand besagte: »Schwere Explosion auf Universitätsgelände in York.«
Wir sind heutzutage an schreckliche Fernsehbilder gewöhnt. Was auf einen Augenzeugen entsetzlich wirken mag, wird irgendwie gemildert, wenn man es in zweidimensionaler Form und in demselben Medium betrachtet, in dem auch Doctor Who läuft und Werbespots für Ford Mondeos oder C&A.
Doch diese Tragödie – ein Universitätsgebäude in Schutt und Asche, gehüllt in Rauch und Staub, und Menschen, die verwirrt und hilflos herumstanden – war unbeschreiblich ergreifend. In den Räumen nahe dem Zentrum der Explosion konnte niemand überlebt haben.
Bond starrte wie betäubt den Fernseher an.
Hydt natürlich auch, aber vor lauter Entzücken. Seine drei Partner redeten aufgeregt und übermütig miteinander, wie man es erwarten konnte, wenn jemand im Bruchteil einer Sekunde um mehrere Millionen Pfund reicher geworden war.
Die Moderatorin meldete nun, die Bombe sei mit rasiermesserscharfen Metallstücken geladen gewesen, die auf Tausende von Kilometern pro Stunde beschleunigt worden seien. Die Explosion habe die Vorlesungssäle sowie die Büros des Lehrkörpers im Erdgeschoss und ersten Stock fast vollständig zerstört.
Dann wurde gemeldet, eine Zeitung in Ungarn habe soeben ein Bekennerschreiben erhalten. Darin übernehme eine Gruppe serbischer Offiziere die Verantwortung für den Anschlag. Die Universität, so stand dort zu lesen, »beherbergt und unterstützt einen Professor, der das serbische Volk und seine Rasse verraten hat«.
»Auch das waren wir«, sagte Hydt. »Das Briefpapier der serbischen Armee haben wir in einer Mülltonne gefunden und später für das Bekennerschreiben verwendet.« Er schaute zu Dunne, und Bond begriff, dass die Idee für diesen Teil des Plans von dem Iren stammte.
Der Mann, der an alles denkt …
»Wir sollten unseren Erfolg beim Mittagessen feiern.«
Bond warf einen letzten Blick auf den Fernsehschirm und wollte zur Tür gehen.
In dem Moment neigte die Moderatorin den Kopf und sagte: »In York gibt es eine neue Entwicklung.« Sie klang verwirrt. Sie berührte ihren Ohrhörer und lauschte. »Yorkshire Police Chief Superintendent Phil Pelham gibt nun eine Erklärung ab. Wir schalten live zu ihm.«
Die Kamera zeigte einen gehetzt wirkenden Mann mittleren Alters in einer Polizeiuniform ohne Jacke und Mütze. Er stand vor einem Löschfahrzeug, und man hielt ihm ein Dutzend Mikrofone hin. Er räusperte sich. »Um ungefähr zehn Uhr fünfzehn heute Vormittag ist auf dem Gelände der Yorkshire-Bradford University eine Sprengladung detoniert. Obwohl dadurch erheblicher Sachschaden angerichtet wurde, scheint es keine Todesopfer und nur ein halbes
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