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Carte Blanche - Ein Bond-Roman

Carte Blanche - Ein Bond-Roman

Titel: Carte Blanche - Ein Bond-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Firmengelände ein, mehr als vierzig Hektar niedriger Bauten, Müllhalden, Abfallcontainer, Möwenschwärme, Qualm, Staub …
    Und Zerfall …
    Während sie über die holprigen Wege fuhren, richtete Hydts Aufmerksamkeit sich vorübergehend auf eine Baustelle in einem knappen Kilometer Entfernung. Ein neues Gebäude näherte sich dort der Fertigstellung. Es war identisch mit zwei anderen, die bereits auf dem Gelände standen: fünfgeschossige Kästen mit Schornsteinen, über denen die Luft in der Hitze flimmerte. Die Gebilde wurden als Destruktoren bezeichnet, ein viktorianischer Begriff, den Severan Hydt liebte. England war das weltweit erste Land gewesen, das Energie aus Abfall gewann. Die erste entsprechende Verbrennungsanlage war in den Siebzigerjahren des neunzehnten Jahrhunderts in Nottingham errichtet worden, und bald darauf gab es Hunderte im ganzen Land, die Dampf produzierten und damit Strom erzeugten.
    Der Destruktor, der nun inmitten des Entsorgungs- und Recyclingbetriebs entstand, unterschied sich theoretisch nicht von seinen düsteren Dickens’schen Vorfahren, nur dass er Reinigungs- und Filteranlagen besaß, um die gefährlichen Abgase zu säubern, und deutlich effizienter arbeitete. Er verbrannte geschredderten Müll und produzierte Energie, die in die südenglischen Versorgungsnetze eingespeist wurde – natürlich gegen Bezahlung.
    Genau genommen handelte es sich bei Green Way International lediglich um den jüngsten Vertreter einer langen britischen Tradition der Abfallentsorgung und -verwertung. Heinrich IV . hatte unter Androhung von Strafe verfügt, dass Müll gesammelt und von den Straßen der Dörfer und Städte entfernt werden musste. Gassenjungen hatten die Ufer der Themse sauber gehalten – um daran zu verdienen, nicht als Angestellte der Behörden –, und Lumpensammler hatten Wollreste an Mühlen verkauft, die daraus billiges Tuch namens Shoddy produzierten. In London hatte man schon Anfang des neunzehnten Jahrhunderts Frauen und Mädchen eingestellt, die den gesammelten Abfall nach Verwertbarem durchsuchen und die Funde sortieren sollten. Die britische Paper Company war gegründet worden, um Recyclingpapier zu produzieren – im Jahre 1890.
    Green Way lag rund dreißig Kilometer östlich von London, ein gutes Stück hinter den kastenförmigen Bürogebäuden der Isle of Dogs und der O2 Arena, die aussah wie eine riesige Seemine, vorbei an der Flussschleife von Canning Town und Silvertown inmitten der Docklands. Um dorthin zu gelangen, bog man von der A 13 nach Südosten ab und fuhr in Richtung Themse. Schon bald befand man sich auf einer schmalen Straße, wenig einladend, sogar abweisend, umgeben von nichts als Unterholz und dürrem Gestrüpp, bleich und durchscheinend wie die Haut eines Sterbenden. Der Asphaltstreifen schien ins Nirgendwo zu führen … bis er eine flache Steigung erklomm und man voraus den gewaltigen Komplex von Green Way in seinem ewigen Dunst sehen konnte.
    Mitten in diesem Wunderland des Abfalls hielt der Kleinbus nun bei einem verbeulten Container, ein Meter achtzig hoch, sechs Meter lang. Zwei Arbeiter in gelbbraunen Green-Way-Overalls, beide etwa Mitte vierzig, standen unbehaglich daneben. Die Tatsache, dass der Boss höchstpersönlich hier auftauchte, trug nicht gerade zu ihrer Beruhigung bei.
    »O Mann«, flüsterte einer dem anderen zu.
    Hydt wusste, dass sie außerdem von seinen schwarzen Augen eingeschüchtert wurden, dem dichten Vollbart, der massigen Statur.
    Nicht zu vergessen die Fingernägel.
    »Da drin?«, fragte er.
    Die zwei Männer blieben sprachlos.
    »Ganz recht, Sir«, sagte stattdessen der Vorarbeiter, auf dessen Overall der Name Jack Dennison eingestickt war. Dann herrschte er einen der Arbeiter an: »Trödelt hier nicht so rum, Freunde. Mr. Hydt hat schließlich nicht den ganzen Tag Zeit.«
    Der Angestellte lief zur Seite des Containers und zog die große federgelagerte Tür auf. Im Innern fanden sich die üblichen Haufen grüner Müllbeutel und loser Abfall – Flaschen, Zeitschriften und Zeitungen –, den die Leute aus Faulheit nicht zum Recycling ausgesondert hatten.
    Und es lag dort noch etwas Weggeworfenes: eine menschliche Leiche.
    Eine Frau oder ein halbwüchsiger Junge, der Statur nach zu urteilen. Viel mehr konnte man nicht erkennen, denn der Tod lag eindeutig schon mehrere Monate zurück. Hydt bückte sich und stocherte mit seinen langen Fingernägeln.
    Die Untersuchung machte Spaß und bestätigte: Es war die Leiche einer

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