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Caruso singt nicht mehr

Titel: Caruso singt nicht mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Mädchen legte Alexanders Kopf aufs Stroh und strich ihm noch einmal über die Stirn. Mit einem Schluchzen zog sie sich am Balken hoch. Sie konnte kaum stehen, die Beine waren ihr eingeschlafen. Anne und Kosinski nahmen sie in die Mitte auf dem Weg zum Haus. Anne brachte ihre erschöpfte Tochter ins Bett und blieb neben ihr sitzen, bis der Arzt kam. Ich weiß, wie weh das tut, dachte sie. Aber sie wußte, daß ihre Tochter ihr das niemals glauben würde. Anne hatte ihrer Mutter schließlich auch nicht geglaubt.
    Krysztof war im Stall geblieben. Er führte den Hengst aus der Box, in der Alexander lag, in eine andere, wo er ihm die Raufe füllte. Der Pole kratzte sich den Schädel und betrachtete kopfschüttelnd das große Tier, das seelenruhig sein Futter malmte. »Killer?« fragte er leise. Butz schnaubte, schüttelte den Kopf und fraß weiter.
     
    Man hatte den Leichnam mitgenommen. Rena schlief. Auch Kosinski hatte sich verabschiedet. »Morgen«, sagte er beim Abschied, »müssen wir noch einmal reden.« Anne hatte genickt. Merkwürdigerweise traute sie ihm. Warum auch nicht? sagte sie sich bitter. Irgendeinem Mann mußt du ja mal trauen. »Und mit Staatsangestellten«, fügte eine kleine Stimme höhnisch hinzu, »kennst du dich ja aus.«
    Die Stille im Haus legte sich über sie wie betäubender, erstickender Dunst. Sie fühlte sich plötzlich unendlich allein. »Und wenn du es einfach noch einmal versuchst?« forderte sie sich auf und ging zum Telefon. »Vielleicht kann man ja auch anderen Männern trauen.« Zweimal ließ sie das Telefon endlos lange klingeln bei ihm, stellte sich vor, wie er vom Garten her ins Haus lief und sich noch schnell die Hände wusch, bevor er den Hörer aufnahm. Oder wie er gerade von einer Radtour zurückkam, völlig verschwitzt, sein Rad an den Gartenzaun lehnte, den Haustürschlüssel hervorkramte, aufschloß, zum Telefon rannte.
    Paul Bremer antwortete nicht. Anne legte sanft den Hörer auf und zuckte mit den Schultern. Zu spät, dachte sie. Und: Schade.

LUFT

KAREN STARK
1
    Karen Stark atmete pfeifend aus, hielt kurz inne und setzte dann das Gewicht behutsam ab. Sie war naßgeschwitzt unter dem T-Shirt und fühlte, wie die Muskeln ihrer Oberschenkel vibrierten. Ein weiterer Versuch war nicht mehr drin. Sie öffnete den Sitzgurt, trocknete sich mit dem Handtuch Nacken und Stirn ab und wischte aus alter Gewohnheit einmal über Sitz und Lehne der Kraftmaschine. Nicht schlecht, meine Liebe, dachte sie befriedigt.
    Sie lächelte die kleine, schmale Frau entschuldigend an – Karen schätzte sie auf mindestens sechzig Jahre –, die mißbilligend zu ihr herübergeguckt hatte. Karen hatte gegen das ungeschriebene Gesetz des Trainingsstudios verstoßen, das Geräuschlosigkeit verordnete. Aber immerhin hatte sie nur laut ausgeatmet, nicht gestöhnt. Stöhner waren im Kraftraum die Pest. Männer mit kurzen Hosen auch, dachte Karen. Und all die, die mit schmerzverzerrtem Gesicht demonstrierten, wie hart sie arbeiteten. Völlig unnötig. Anstrengung war anstrengend. Aber nicht schmerzhaft.
    Die ältere Dame legte, wie Karen neugierig feststellte, ganz ordentlich was auf. Das gefiel ihr. Krafttraining, dachte sie mit Befriedigung, ist doch eine wunderbare Sache. Man kann es in jedem Alter tun und in jedem Zustand. Mit wenig Gewicht und mit sehr viel. Es tut gut und verbessert die Figur. Und es verlangt mitnichten nach engen Trikots und dekorativen Schweißbändern – Leggins und T-Shirt tun’s auch.
    In ihrem Bekanntenkreis hielt man das, was Karen nun schon seit Jahren machte – zwei- bis dreimal die Woche, jeweils eine Dreiviertelstunde –, für verdächtig, gefährlich oder unnatürlich. Zuhälter polierten mit Krafttraining ihre durch Nichtstun lädierte Kondition auf. Bullen stemmten Gewichte – und die meisten Gefängnisinsassen passenderweise auch. Machos taten es, schwachsinnige Bodybuilder. Die Mafia. Aber eine Staatsanwältin?
    Karen Stark sagte dazu nur noch selten etwas. Höchstens, daß Menschen mit gut ausgebildeten Muskeln mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit kriminell oder blöde seien wie Blondinen dumm. Im Grunde war Karen die Antwort egal. Wenn sie nicht regelmäßig trainierte, kriegte sie schlechte Laune.
    Und die konnte sie nicht brauchen. Das Leben war kurz genug.
    Heute morgen war noch nichts los auf den beiden Etagen des Trainingsstudios. Dafür tobte draußen um so mehr das Leben. Als Karen ihr Auto abgestellt hatte und zum Parkautomaten gelaufen war, war sie

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