Cash Out (German Edition)
unter dem hinteren Kotflügel und stürzt davon.
Ich schicke die SMS .
Larry legt den Kopf schräg und dreht sich zu Harry um, der bereits in sicherem Abstand zum Wagen ist, die Hände an die Seiten gepresst. Der arme Kerl, er macht sich vor Angst fast in die Hose.
Ich bin der schlechteste Vater in ganz Nordamerika
, denke ich und gehe raus.
Larry starrt Harry an, als wäre dieser ein fieses Mathe-Problem.
Von meiner Veranda aus winke ich und rufe «Larry!», als wäre er ein lange verschollener Freund.
Larry starrt immer noch Harry an, macht einen Schritt auf ihn zu. Kate hinterher.
Ich trabe über die Straße, erreiche Harry und hebe ihn auf den Arm. Er umklammert mich und hält sich fest, als ging’s um sein Leben.
Kate steht hinter Larry, eine Hand auf der Stirn.
Larry starrt das Heck des Malibu an.
«Hey, Larry.»
Starrt weiter auf den Wagen. «Dein Kind hat mich beim Gespräch mit deiner Frau gestört.»
Du liebe Güte …
«Ich habe Larry gerade von meinem Onkel Bo erzählt», sagt Kate, «der früher auch immer Messer geworfen hat, nur dass er eben eine Blockhütte im Wald hatte.»
«Und ich habe was gehört», sagt Larry. Er hebt den Blick zum Himmel. «Ein Klicken.»
Harry vergräbt sein Gesicht an meiner Schulter.
Rod taucht aus unserem Haus auf. Hat ein Glas Möhrensaft in der Hand. Lässig, aber ganz klar bereit, Larry in einen Haufen blutigen, nach Kakaobutter riechenden Wackelpudding zu verwandeln.
«Vielleicht ist Harry gestolpert», sagt Kate, «und hat eine kleine Delle in deinen Malibu gemacht.» Sie geht zum Heck des Wagens hinüber und beginnt aufmerksam den matschbraunen Originallack des Kombis auf Kratzer und Dellen zu untersuchen. «Alles okay hier. Schätze, da haben wir noch mal Glück gehabt.»
Larry sieht aus, als würde er nach einem leisen Geräusch lauschen. «Aber ich habe ein Klicken gehört.» Blinzelt ins Leere. «Hat beinahe metallisch geklungen.»
Scheiße.
Harry hebt den Kopf von meiner Schulter, verkündet: «Das war mein Fabeltierring!», und schwenkt einen fetten Plastikring, den er letztes Jahr von Rod bekommen hat.
Was für ein Junge!
Larry wendet sich an Harry. «Ich mag keine Fabeltiere.»
Ich drücke Harry. «Okay, Larry. Tut mir leid. Ich mach dem Jungen jetzt was zu essen, dann muss ich los.»
«Ich muss auch los», sagt Kate.
Larry hält sie zurück. «Noch nicht.» Seine Stimme ist ruhig und gelassen. «Du wolltest mir doch gerade von deinem Onkel Bo erzählen.»
Fünf
Auf der Arbeit beschließe ich, die schwierigste Aufgabe als Erstes anzugehen. Ich gehe auf einen Sprung bei meiner alten IM -Freundin Anne vorbei.
Anne ist groß und schlank, hat sandblondes Haar, das ihr den halben Rücken hinunterreicht. Sommersprossen. Große blaue Augen. Definitiv eine hübsche Frau, ganz mein Typ und alles, aber seit wir’s runtergefahren haben – runtergekommen sind von dem Irrsinn und dem Rausch, der damit einherging –, kann ich sie kaum noch ansehen. Sie ist das Symbol meiner schäbigsten, dunkelsten Seite – eine Mahnung daran, zu welchen schlimmen Sachen ich fähig bin.
Und ich sehe sie jeden Tag.
Als ich zu ihrem Arbeitsplatz komme, gebe ich ihr zu verstehen, dass ich mit ihr sprechen muss.
«Alles okay bei dir?», flüstert sie und mustert mich aufmerksam.
«Komm einfach mit.»
Das FlowBid-Büro-Design ist so gestaltet, dass es die Egos streichelt und so die Angestellten an sich bindet. Wir schreiben immerhin das Jahr 2008 . Das Platzen der Dotcom-Blase vor gerade mal ein paar Jahren ist nur noch eine blasse Erinnerung. Heute haben der Immobilienmarkt mit seinen in die Höhe schnellenden Preisen und der neue Rausch um Hightech-Unternehmen wie FlowBid und Google und Facebook mehr Geld ins Valley gepumpt als je zuvor. Man füge die Geldmittel hinzu, die von hohlen Investoren kommen, die explodierenden User-Statistiken und astronomischen NASDAQ -Kursgewinne, und voilà: Man hat das Rezept für den typischen 2008 er-Silicon-Valley-Arbeitsplatz. Hippe Raumgestaltung mit Betonfußböden und unverkleideten Lüftungskanälen, San Pellegrino-Mineralwasser in jedem Besprechungszimmer, ein firmeneigener Masseur, um den Stress aus dem System zu kneten, ein kostenloser Concierge-Service, der einem von einem neuen Kindermädchen bis zu Konzerteintrittskarten alles besorgt, extrem preisgünstige chemische Reinigung vor Ort, kostenlose Mahlzeiten in der Cafeteria und ein Fitnesscenter von Weltrang mit einem sechsköpfigen Personal.
Anne und ich
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