Cash
Billy nach einer langen Pause. »Von dort dirigiere ich Sie weiter.«
Sonntagnachmittage waren im Dienstraum, was anderswo die informellen Freitage waren - die üblichen Jacketts und Krawatten unter dem allgegenwärtigen militärischen Bürstenschnitt wurden durch T-Shirts mit Revier-Logo und Jeans ersetzt.
»Kennt jemand einen gewissen True Life?«, rief Yolonda in die Runde, während sie ihre Tasche auf den Schreibtisch hievte.
»Ich kenne einen Half Life«, sagte John Mullins.
»Ich kenne einen Twenty-five to Life.«
»Ich kenne einen Blue Light.«
Yolonda setzte sich an die digitale Lichtbildkartei und gab True Life ein: keine Treffer. Dann fütterte sie die Maschine mit einer Kombination aus verschiedenen Faktoren: Herkunft, Alter, Jagdgründe.
Sie waren in Riverdale und saßen im Wagen in der Einfahrt zu Billys Haus im Henry Hudson Parkway.
»Ich entschuldige mich für meine Direktheit vorhin.«
»Kein Problem.« Billy blinzelte abwesend den Baldachin über dem Eingang an.
Wieder rang Matty mit sich, ob er ihm erzählen sollte, wie die Untersuchungen vor sich hin siechten; Familien nährten sich oft selbst von schlechten Nachrichten, betrachteten jeden Informationsfetzen als wertvoll, Neuigkeit als Tugend an sich. Das verstand er, hatte es aber nie ganz begriffen. Außerdem hatte Matty selbst hier noch, vor Billys Haus, selbst nach dem langen gemeinsamen Tag das Gefühl, dass der Mann ihm gar nicht zuhörte. »Da unten rumlungern, Leute an Zeitungskiosken beschatten und bis in ihren Bau verfolgen, das hört aber jetzt auf, oder?«
»Ich hatte das ja gar nicht vorgehabt.« Marcus blinzelte weiter das Haus an. »Es ist einfach so passiert.«
»Das hört jetzt auf, ja?« Matty betrachtete Marcus' Profil, die roten Tränensäcke unter dem linken Auge. »Ich kann nicht mit voller Kraft rangehen, wenn ich mir auch noch um Sie Sorgen machen muss.«
»Ist gut.«
»Bitte?«
»Ist gut, ja.« Dann drehte er sich zu Matty um. »Ich hab's kapiert.«
Marcus war schon auf halbem Weg zum Haus, als er zurückkam und sich ins Fahrerfenster beugte. »Wissen Sie, den ganzen Tag sagen Sie >Ihre Familie, Ihre Familie<. Nur etwas sollten Sie wissen: Ich liebe Nina, aber sie ist nicht von mir. Als ich Minette kennenlernte, war sie schon sechs.« Dann: »Meiner ist Ike.«
Irma Nieves kam zwei Stunden später als verabredet, also nicht später, als Yolonda erwartet hatte, in den Dienstraum geschlendert.
»Ich rufe sechs Gesichter auf einmal auf«, erklärte Yolonda, nachdem sie das Mädchen vor den Monitor gesetzt hatte. »Wenn dir niemand bekannt vorkommt, sagst du Nein, und wir gehen weiter, okay?«
Irma riss eine Tüte Cheetos auf. »Okay.«
Yolonda rief das erste Set auf.
»Nein«, sagte Irma und führte die ersten Cheetos blind von der Tüte in den Mund. Der Monitor wurde grau, darauf stand bitte warten.
»Du kommst aus einer netten Familie«, sagte Yolonda.
Sechs Gesichter tauchten auf.
»Nein.«
»Alle Jungen sind Lügner, das weißt du, oder?« Wieder bitte warten, wieder ein Sechserset. »Nein.«
»Du bist hübsch, aber schlau ist besser.«
«Nein.«
»Schwänzt du oft die Schule?«
«Nein.« Dann: »Nein.«
»Du hast Glück, eine gute abuela zu haben, du solltest ihr nicht das Herz brechen.«
»Nein.« Zwei der Gesichter im letzten Set waren blutverschmiert und über fünfzig.
»Lass dir nie von einem Typen, den du gerade erst kennengelernt hast, einen Drink spendieren.«
»Nein.«
»Verhütest du?«
»Nein.« Dann sah sie Yolonda zum ersten Mal an. »Was?«
«Zieh nicht diesen Klassiker ab, dass du schwanger wirst und deine Großmutter auch noch mit deinen Kindern dasitzt.«
«Der da.«
«Was?«
»Der da.« Sie zeigte auf den Bildschirm. »True Life.« Yolonda las den Ausdruck: Shawn Tucker alias Blue Light.
»Macht die Knöpfe zu, ich frier mir die Eier ab, wenn ich euch nur sehe«, sagte Lugo zu den beiden jungen Latinos, die auf der hinteren Stoßstange ihres Wagens saßen, während Daley die Rückbank durchsuchte.
»Ja, ist kalt geworden«, murmelte der Fahrer mit resignierter Höflichkeit.
»Was ein Abend, hm?« Lugo steckte sich eine Zigarette an. »Wo bist du her?«, fragte Lugo den Fahrer. »Maspeth.«
»Und du?«, fragte er den anderen, der eine Augenklappe trug. »D.R.«
»D.R. Dominikanische Republik? War ich letztes Jahr. Wärst wohl jetzt gern dort, oder? Ich jedenfalls schon. Welche Gegend?«
«Playa.«
»Ach, geil, oder? Wir haben im Capitän
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