Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cash

Cash

Titel: Cash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Price
Vom Netzwerk:
sie in Kenny Chans Büro. »Tun Sie mir einen Gefallen? Egal, wie die weiteren Gegenüberstellungen heute laufen, verlegen Sie den Jungen nicht, behalten Sie ihn mir einfach da, okay? Ich komme heute Abend wieder.« Sie kehrte zu ihrem Schreibtisch zurück, bestellte ein paar Filme bei Netflix für ihre Kinder in Riverdale, feuerte den Hundetrainer, den ihr Mann in der vergangenen Woche angeheuert hatte, und ging, ohne Tucker noch eines Blickes zu würdigen.
     
    Harry Steele wohnte in der Suffolk Street in einer entweihten Synagoge, die ihrerseits vor fünfundneunzig Jahren aus einem umgebauten Mietshaus entstanden war. Und jetzt war sie ein privates Palazzo und das große Buntglasoval über der Tür mit eingelegtem Davidstern das einzig sichtbare Zeichen ihres beinahe ein Jahrhundert währenden Abstechers als Gotteshaus.
    Eine junge Osttimoresin mit Nasenring, eine jener verwirrend hippen Hausangestellten, die Matty hier unten irgendwie ständig antraf, öffnete ihm die Tür und führte ihn nach kurzem Zögern eine Treppe hinauf zu einem umlaufenden Balkon mit Blick auf den Hauptraum.
    Das Gebäude hatte drei Stockwerke, die beiden oberen Wohnungsebenen waren von der Gemeinde zugunsten einer hohen Halle, so schmal wie lang, entfernt worden, geblieben war nur der Innenbalkon, von dem aus die Frauen dem Gottesdienst beiwohnen konnten. Unten waren grobe Darstellungen des jüdischen Tierkreises an die ockergelbe Wand gemalt, sechs auf jeder Seite, und in einem eingebauten Toraschrein stand Harry Steeles Sammlung von Kochbüchern aus dem achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert, dazwischen antike Töpfe und Kochgeschirr aus Asien und Nahost.
    Matty hatte von einem Detective im Achten, der zu einem versuchten Einbruch gerufen worden war, von diesem Haus gehört, hatte außerdem darüber gelesen, doch auch so hätte er die allerheiligste Aura hier drin gespürt, obwohl heute anstelle der längst verstorbenen gottesfürchtigen Einwanderer eine Gruppe von Berkmann-Kellnern, Hostessen und Barkeepern in jenem regenbogenbunten Licht badeten, das durch das große Oval fiel; sie saßen um die frei stehende Granit-Kochinsel, die das Lesepult des Kantors als Hausmittelpunkt ersetzt hatte.
    Steele hatte nichts von einer Versammlung gesagt und ganz gewiss nicht erwähnt, dass Eric Cash persönlich anwesend sein würde. Matty sah, wie der arme Schlucker aschfahl wurde, als er seinen ehemaligen Vernehmer über die inzwischen kindersichere und verstärkte Balustrade in sechs Metern Höhe herabblicken sah. Das war für den Arsch. Von Rechts wegen durfte er sowieso nicht mit Cash reden, aber selbst wenn, sollte jemand Unverbrauchtes als Ansprechpartner herhalten, nicht er. Matty trat in den Schatten zurück.
    »Sollte irgendjemand vergessen haben, dass wir in einer prekären Stadt leben«, sprach Steele zu seiner Mannschaft, »so hat der tragische Vorfall vor einigen Tagen ...« Die um die Kochinsel Versammelten sahen automatisch Cash an, der die Schultern zusammenzog, als sei er von einem Messer getroffen worden. Steele wechselte die Gangart. »Also, wir wollen es ganz nüchtern betrachten. Was hier passiert ist, war keine Verbrechenswelle, kein Ausbruch, keine Gewaltentladung, aber es ist passiert, und eine der Stationen auf dem Kreuzweg zur Katastrophe war unsere Bar, wobei wir beim Schutz unserer Kunden und unser selbst wären, also allen ...« Steele blickte prüfend in die Gesichter der Anwesenden. »Ihr müsst einen sechsten Sinn für Unannehmlichkeiten entwickeln. Wenn ein Gast problematisch aussieht? Geht zur Tür und holt Clarence.« Er deutete auf Mattys Protege, der mit ernster Miene am Ende der Kochinsel saß, die Arme vor seiner ungeheuerlichen Brust verschränkt.
    Matty spürte, dass Cash verzweifelt versuchte, nicht zu ihm hinaufzusehen, er starrte stier geradeaus und wippte auf seinem Stuhl vor und zurück, als würde er einen der lange verstorbenen Toraleser channeln.
    »Wenn ein Kunde lallt, schläft, brabbelt, andere Gäste behelligt«, sagte Steele, »holt Clarence. Er muss nicht die ganze Zeit an der Tür stehen. Er wird ab jetzt einmal die Stunde reinkommen, fragen, wie es läuft, ich meine, es ist eine heikle Situation, er kann ja nicht einfach rumstehen und einen Gast anglotzen, da finden wir noch einen Weg, aber ganz allgemein, jetzt erst mal, wenn es auch nur den Anschein hat, als hätten wir es mit jemandem zu tun, der es nicht mehr auf die Straße schafft? Nicht lange fackeln.«
    Steele hielt inne, als eine

Weitere Kostenlose Bücher