Cash
Reviers hinauffuhren.
»Blue Light ist True Life«, antwortete sie. »Albertina Einstein hat den Namen verwechselt. Ich habe gestern Abend den Steckbrief rausgegeben.«
Im Flur vor dem Dienstraum saß Ming Lam vornübergebeugt auf einer Bank, das Gesicht gefriergetrocknet vor Erregung. Fenton Ma saß neben ihm, einen Arm besitzergreifend über der Lehne, und sah mächtig stolz aus. Als Lam Matty und Yolonda auf sich zukommen sah, hätte er beinahe geknurrt.
»Dieser Typ, Tucker, der geht doch auf Nimmerwiedersehen Tüten kleben, oder?«, sagte Ma laut.
»Unbedingt«, sagte Yolonda ebenso laut, und Ma wiederholte ihre knappe Antwort für den alten Mann, erst auf Englisch, dann ausführlicher auf Mandarin, was diesem ein halb ängstliches, halb zorniges Brummen entlockte.
»Gut gemacht«, sagte Matty leise zu Ma.
Sie entdeckten »Blue Light« Tucker gleich beim Betreten des Dienstraums, einen langgliedrigen, hellhäutigen Schwarzen gerade mal Anfang zwanzig, der wie Der Denker in einer der beiden kleinen Zellen vor sich hin schmollte.
Kenny Chan kam mit einem Arm voller Ereignismeldungen aus seinem Büro. »Seit wir telefoniert haben? Vier weitere Treffer inklusive zwei Einbrüche, macht jetzt sieben.«
»Schusswaffengebrauch?«, fragte Matty.
»Bei dem alten Chinesen da draußen und bei dem ursprünglichen Fall, für den wir ihn hochgenommen haben.«
«Welches Kaliber?«
»Sein Partner, der ihn hat hochgehen lassen? Wusste nicht mal, dass Tucker bewaffnet war, bis er das Eisen rausholte, und Tucker ist sauer auf uns, also sagt er nichts.«
»Wer ist der Partner?«
»Dieser Junge aus den Walds? Evan Ruiz?«
Matty und Yolonda tauschten einen Blick: schwarz und beige.
»Sekunde.« Yolonda schritt durch den Raum, und Tucker folgte ihr mit dem Blick. Als sie den Jungen auf dem Rückweg kurz anlächelte, wandte er sich ab. »Entschuldigung«, sagte sie, »weiter.«
»Aber Ruiz sagt, er war nur an dem einen beteiligt, für den wir ihn drangekriegt haben. Wie ich schon an der Strippe sagte, was die Partnerwahl angeht, ist dieser Tucker ein Spontankäufer.«
»Siedlungskind?«, fragte Yolonda.
»Ja, Cahans, aber anscheinend ganz solide Familie. Vater Wagenführer, Mutter Kassiererin bei Chase. Er ist so was wie das schwarze Schaf.«
»Schönes Haar«, murmelte Yolonda. »Na, ich sag Ihnen, momentan redet der mit keinem.«
«Nein?« Yolonda drehte sich zu Matty um: »Findest du nicht, dass er schöne Haare hat?«
Als Matty ging, blieb Yolonda im Dienstraum des neunten Reviers und erbat sich einen Schreibtisch, an dem sie ihre Mails abrufen und am Computer arbeiten konnte. Hin und wieder stand sie auf und ging durch den Raum zur Kaffeetheke, und jedes Mal kam Tucker ans Gitter gebummelt, um ihr hinterherzusehen, wandte sich jedoch ab, sobald sie seinen Blick erwiderte oder ihn anlächelte.
Nach einer Stunde trat sie schließlich an seine Zelle und winkte ihn zu sich heran. »Was ist das mit dir?«, flüsterte sie halb. »Alle hier sagen, du kommst aus einer netten Familie. Was ist, haben sie dich schlecht behandelt? Warst du zu hell, oder was?«
Er grinste abfällig.
»Du hast so schöne Cafe-con-leche-Haut«, sagte sie. »So haben wir das immer genannt.«
«Wer ist wir?«
»Meine Familie. Das war's bestimmt, oder? Dein Vater ist dunkler als du, stimmt's? Und deine Geschwister? Hab ich recht?«
Er schnalzte mit der Zunge und kehrte zu seiner Bank zurück, Yolonda verharrte noch einen Moment, dann zog sie sich zurück. Kurz darauf verließ sie den Dienstraum, ging zu Katz's Delicatessen und kam mit einem mörderischen, fünfzehn Zentimeter langen, dreilagigen Pastrami-Roggen-Sandwich zurück, das von zwei extralangen, zellophanbeschleiften Zahnstochern gehalten wurde. Als sie es an ihrem Schreibtisch auspackte, sagte sie: »Wo bin ich bloß mit meinen Gedanken?«, teilte es, wickelte die eine Hälfte in ein Papiertuch, ging wieder zur Zelle und reichte es ihm durch die Gitterstäbe. »Du siehst gut aus, aber du bist zu mager.«
»Egal«, sagte er und nahm es, bevor er ihr den Rücken zuwandte.
»Wie kommst du zu dem Namen Blue Light?«
Tucker zuckte mit den Schultern, murmelte mit vollem Mund: »Wie kommen Sie zu dem Namen Detective?«
Yolonda wollte schon antworten, eigentlich eine spannende Geschichte, verkniff es sich aber. »Hast du dich auch schon mal True Life genannt?«
»Leute hören manchmal schlecht.«
»Aha.«
Am Schreibtisch verschlang sie ihre Sandwich-Hälfte, danach ging
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