Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
Erhebung«, entgegne ich. »Und er ist kein Betrüger.«
Oker sieht mich an. »Vielleicht nicht«, sagt er. »Aber das bedeutet nicht, dass du ihm folgen solltest.« Mit strenger Miene fügt er hinzu: »Und mir übrigens auch nicht.«
Ich sage nichts, weil wir beide wissen, dass er und der Steuermann schon längst Vorbilder für mich sind. Der Steuermann führt uns auf den Weg zur Revolution und Oker auf den Weg zu einem Heilmittel.
Die Patienten hier sehen noch immer viel besser aus als die zu Hause in den Provinzen. Oker hat alle Sekundärsymptome behandelt, die das mutierte Virus hervorrufen, etwa die Anreicherung der Blutplättchen in der Milz und die vermehrte Sekretion in den Atemwegen. Doch noch immer grübelt er über die Proteine im Gehirn nach, und ich weiß, dass er noch nicht herausgefunden hat, wie man die Auswirkungen der Mutation auf das Nervensystem verhindern oder rückgängig machen kann. Aber er wird es schaffen.
Oker flucht. Er hat etwas Wasser aus seiner Feldflasche auf sein Hemd verschüttet. »In einer Hinsicht hatte die Gesellschaft allerdings recht«, sagt Oker. »Die verflixten Hände haben ein, zwei Jahre nach meinem Achtzigsten den Dienst versagt. Allerdings funktioniert mein Grips immer noch besser als der der meisten anderen.«
Cassia ist bereits in ihrer Zelle, als ich hineinkomme, aber sie hat auf mich gewartet. Ich kann sie im Dunkeln nicht richtig erkennen, aber sie flüstert mir etwas zu. Jemand in einer Nachbarzelle ruft laut, wir sollten ruhig sein, aber alle anderen scheinen zu schlafen.
»Rebecca hat gesagt, dass dich die Pharmazeuten im Labor alle mögen«, sagt Cassia. »Und dass du der Einzige bist, der Oker Widerworte gibt.«
»Vielleicht sollte ich das sein lassen«, antworte ich. Ich will mir niemanden zum Feind machen. Ich muss in diesem Labor bleiben und weiter an dem Heilmittel arbeiten.
»Nein, Rebecca findet das gut«, erwidert Cassia. »Sie glaubt, dass Oker dich mag, weil du ihn an ihn selbst erinnerst.«
Stimmt das? Ich halte mich weder für so stolz noch für so klug wie Oker. Natürlich habe ich mich immer gefragt, ob ich eines Tages Steuermann werden könnte. Ich mag Menschen. Ich freue mich, wenn ich bei ihnen sein und ihre Lebenssituation verbessern kann.
»Wir sind auf dem richtigen Weg«, meint Cassia. »Es muss einfach so sein.« Ihre Stimme klingt etwas weiter weg. Sie muss sich von der Tür entfernt und auf ihr Bett gesetzt haben. »Gute Nacht, Xander.«
»Gute Nacht, Cassia«, antworte ich.
Kapitel 35
Cassia
Manchmal, wenn ich müde bin, kommt es mir vor, als hätte ich nie anderswo gelebt. Ich habe nie etwas anderes gearbeitet, Ky war schon immer versunken, Xander und ich haben schon immer nach einem Heilmittel gesucht. Meine Eltern und Bram sind unerreichbar für mich, und ich muss auf die Suche nach ihnen gehen. Die Aufgabe scheint übermächtig, zu gewaltig für einen einzelnen oder eine Gruppe von Menschen.
»Was machst du da?«, fragt eine der anderen Sortiererinnen und deutet auf den Datenpod sowie die Papierschnipsel und das verkohlte Holzstäbchen, mit dem ich mir Notizen gemacht habe. Ich habe festgestellt, dass ich manchmal etwas von Hand schreiben muss, um die Daten zu verstehen, die über meinen Bildschirm wandern. Dadurch sehe ich klarer. Ich versuche auch schon seit einer Weile, Pflanzen und andere mögliche Komponenten des Heilmittels nach den Beschreibungen auf dem Datenpod von Hand zu zeichnen, weil ich sie mir nicht vorstellen kann. Die Sortiererin kneift amüsiert die Augen zusammen, als sie sich meine unbeholfene Skizze einer Blume anschaut, und ich ziehe das Blatt näher zu mir hin.
»Auf dem Datenpod sind keine Bilder«, erkläre ich ihr, »nur schriftliche Beschreibungen.«
»Weil wir eben wissen, wie das alles aussieht«, antwortet eine andere Sortiererin ungeduldig.
»Ich weiß«, sage ich leise, »aber ich eben nicht. Und das hat Auswirkungen auf unsere Sortierungen. Sie stimmen nicht.«
»Willst du etwa behaupten, wir erledigen unsere Arbeit nicht ordentlich?«, fragt die andere Sortiererin frostig. »Wir wissen, dass die Daten Fehler enthalten können. Aber wir sortieren so effizient wie möglich.«
»Nein«, erwidere ich kopfschüttelnd. »Das meine ich nicht. Es liegt weder am Ausgangsmaterial noch am Ergebnis, weder an den eigentlichen Daten noch an unserer Methode. Etwas dazwischen stimmt nicht, in der Korrelation der Listen. Es ist, als gäbe es ein zugrundeliegendes Phänomen, das wir nicht
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