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Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Titel: Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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hatte Angst, große Angst. Ich bebte, als Vater neben Großvaters Stuhl stehenblieb und seine Hand sanft auf seine Schultern legte. »Tut mir leid, Vater. Tut mir wirklich leid, daß ich nicht bei ihrem Begräbnis war.«
    Großvater sagte nichts, er senkte den Kopf, und die Tränen tropften unendlich langsam herab und benetzten sein Knie.
    Stumm sah ich zu, wie Vater in seinen Lieferwagen stieg und davonbrauste, wobei Erde hochgeschleudert und das Laub durcheinandergewirbelt wurde und hinter ihm Staub und Dreck in die Luft flog. Er war fort und hatte seine Jagdhunde mitgenommen. Nun hatten wir nur noch Katzen, die nur für sich selbst sorgten.
    Ich rannte in eines der Zimmer, um Sarah zu sagen, daß Vater nun endgültig fort war und diesmal seine Hunde mitgenommen hatte. Bei dieser Nachricht schrie sie auf und sank dann zu Boden. »Mutter, aber das wolltest du doch, nicht wahr? Du hast ihn rausgeworfen. Du hast ihm gesagt, daß du ihn haßt… warum weinst du, wenn es zu spät ist?«
    »Sei still!« brüllte Sarah. »Ist mir egal! Besser so, besser so!«
    Besser so? Warum weinte sie dann noch mehr?
    Mit wem, außer mit Tom, konnte ich jetzt reden? Jedenfalls nicht mit Großvater, den ich nie so geliebt hatte wie Großmutter.
    Ich half ihm, sich jeden Morgen an den Tisch zu setzen, wenn Sarah noch im Bett lag, und jeden Abend, wobei ich versuchte, ihn zu trösten, bis er sich daran gewöhnt hatte, ohne seine Frau zu leben. »Deine Annie ist jetzt im Himmel, Großvater. Sie hat mir oft gesagt, daß ich auf dich aufpassen soll, wenn sie tot ist, und das werde ich auch tun. Und überlege doch, Großvater, jetzt hat sie keine Schmerzen mehr, und im Paradies kann sie essen, was sie will, ohne daß ihr jedesmal danach schlecht wird. Das wird ihre Belohnung sein… nicht wahr, Großvater?«
    Armer Großvater – er konnte nicht sprechen. Die Tränen flossen aus seinen blassen, müden Augen. Wenn er ein bißchen gegessen hatte, half ich ihm wieder zurück in den Schaukelstuhl, den Großmutter benutzt hatte und auf dem die besten Kissen lagen, um die Schmerzen in den Hüften und Gelenken erträglicher zu machen. »Niemand da, der mich je wieder Toby nennen wird«, sagte er unendlich traurig.
    »Ich werde dich Toby nennen«, sagte ich schnell.
    »Ich auch«, meldete sich Tom ebenfalls.
    Nach Großmutters Tod redete Großvater mehr, als ich je von ihm gehört hatte.
    »Mein Gott, das Leben hier wird aber öd!« weinte Fanny.
    »Wenn noch einer stirbt, hau’ ich ab!«
    Sarah blickte auf und sah Fanny nachdenklich an, bevor sie im zweiten Zimmer verschwand, und ich hörte, wie die Bettfedern quietschten, als sie sich aufs Bett warf und wieder weinte.
    Als Großmutters Geist unsere Hütte verlassen hatte, schien auch alle Liebe, die uns zusammengehalten hatte, mit ihr gegangen zu sein.

 
    6. KAPITEL
     
    B ITTERE E RNTE
     
     
     
    Eines Nachts, während alle schliefen, schlich ich zu jener Stelle, wo ich den Koffer meiner Mutter versteckt hatte, um ihn zum ersten Mal, seit Großmutter ihn mir gegeben hatte, wieder zu öffnen. Ich zerrte ihn unter alten Schachteln voller Lumpen und Gerümpel hervor. Ich setzte mich hinter Old Smokey, damit Fanny nicht aufwachte und ich ungestört die Puppe hervorholen konnte.
    Die geheimnisvolle, wunderschöne Puppenbraut, die für mich meine Mutter darstellte.
    Ich hielt das harte Bündel in meinen Armen, und die Erinnerung an jene Winternacht, in der meine Großmutter mir die Puppe gegeben hatte, kehrte zurück. Seither war ich zwar schon oft an den Koffer gegangen, aber ich hatte nie die Puppe ausgepackt. Oft überkam mich der Wunsch, das schöne, von hellen Haaren umrahmte Gesicht, lange zu betrachten, aber ich befürchtete, daß mich dann bei dem Gedanken an meine Mutter, die ein besseres Schicksal verdient hatte, das Mitleid übermannen würde. Großmutters Flüstern hallte wie ein geisterhaftes Echo in meinen Ohren:
    »Nu’ mach schon, Kind. Solltest mal den Koffer richtig durchschauen. Wundert mich schon lang, warum du nicht mit der Puppe spielst und die ganzen schönen Kleider nicht tragen magst.«
    Ich spürte wieder das dünne Gespinst ihrer weißen Haare, die sanft mein Gesicht kitzelten, und den kalten Wind von damals, als ich die Puppenbraut auspackte. Im Feuerschein starrte ich sie an. Wie schön sie in ihrem kostbaren weißen Spitzenkleid aussah: Es war mit winzigen Knöpfen hochgeschlossen bis zum Kinn. Sie trug einen Schleier sowie weiße, spitzenbesetzte Satinschuhe.
    Ihre

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