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Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Titel: Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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nichts zu essen, keine warmen Kleider und meistens nicht genug Brennholz… Es ist scheußlich, einfach scheußlich!«
    Ich hätte Fanny am liebsten auf der Stelle erschossen. Fanny hatte unsere verzweifelte Lage mitten im Drugstore hinausgebrüllt, wo mindestens zwanzig Paar Ohren jedes Wort gehört hatten.
    Mit hochrotem Gesicht stand ich da und wünschte mir, ich möge im Erdboden versinken oder mich in Luft auflösen, so beschämt und erniedrigt fühlte ich mich nun, da unser Geheimnis enthüllt worden war. Es war, als stünde man nackt in der Öffentlichkeit. Ich wollte Fanny zurückhalten, immer weiter zu erzählen und Familiengeheimnisse zu verraten. Dann sah ich hinüber zu Großvater und zurück zu Keith und Unserer-Jane und seufzte schwer. Was galt mein Stolz schon gegenüber den großen eingesunkenen Augen, die mich hungrig anblickten? Wie konnte ich so dumm sein und das Angebot dieser gütigen und mitfühlenden Frau ablehnen? Ich kam zu dem Entschluß, daß ich ganz einfach ein Dummkopf war. Fanny hatte zehnmal mehr Verstand als ich.
    »Komm, Heaven, wenn Fanny in einem Restaurant essen will und Tom scheinbar auch nichts dagegen hat, Keith und Unsere-Jane so dünn sind, dann kannst du nicht gegen die Mehrheit stimmen. Du bist überstimmt, und es ist beschlossene Sache. Die Casteels sind diesen Sonntag zu Mittag meine Gäste und ab jetzt jeden Sonntag, bis euer Vater zurückkommt und sich wieder um euch kümmern kann.«
    Ich mußte meine Tränen hinunterschlucken. »Nur wenn Sie uns erlauben, Ihnen eines Tages alles zurückzuzahlen.«
    »Natürlich, Heaven.«
    Das Schicksal war in unser Leben getreten – in einem teuren Kostüm mit einem Nerzkragen –, und wenn das Schicksal so gut gekleidet daherkam, wer konnte ihm dann widerstehen?
    Wie Moses, der seine hungrige Horde anführte, schritt Miß Deale über die Straße. Unsere-Jane klammerte sich hingebungsvoll an ihre behandschuhte Rechte. Stolzer als ein Pfau betrat sie das teure Restaurant, wo die schwarzweiß gekleideten Männer uns wie Zirkusmonster anstarrten und hofften, wir würden uns in nichts auflösen. Die anderen Gäste rümpften die Nase und sahen uns abschätzig an. Miß Deale aber lächelte in die Runde.
    »Ach, guten Tag, Mr. und Mrs. Holiday«, strahlte sie und nickte einem gutaussehenden Paar zu, das ebenso elegant wie sie gekleidet war, »wie nett, Sie wieder einmal zu sehen. Ihr Sohn ist ein ausgezeichneter Schüler. Sie sind bestimmt stolz auf ihn. Es ist wunderbar, zusammen mit einer Familie zu essen.« Und sie segelte zielsicher wie ein Schiff auf seinen Heimathafen auf den besten Tisch des Restaurants zu, trotz ihrer zerlumpten Gefolgschaft.
    Als sie sich hingesetzt hatte, winkte sie hochnäsig einen älteren Mann herbei, daß er uns zu unseren Sitzen führen sollte. »Von diesem Tisch aus kann man am besten euren Berg sehen«, erklärte sie.
    Ich war überwältigt, verängstigt und verlegen. Wie in einem Traum von königlichem Reichtum saß ich auf meinem goldenen Stuhl mit dem roten Samtüberzug. Die Nase Unserer-Jane lief wieder. Schnell nahm Tom Keith bei der Hand und erkundigte sich nach der Herrentoilette. Fanny strahlte alle an, als sei diese Umgebung für sie eine Selbstverständlichkeit, auch wenn sie noch so ärmlich gekleidet war. Der Kellner wollte Fanny den Stuhl zurechtrücken, aber bevor sie sich hingesetzt hatte, begann sie, einen Pullover nach dem anderen auszuziehen. Alle Augen waren entsetzt auf sie gerichtet, zweifellos – so wie ich auch – in der Annahme, daß sich Fanny splitternackt entkleiden würde. Fanny aber hörte auf, als sie nur noch in ihrem verwaschenen Kleid dastand, und lächelte Miß Deale begeistert an.
    »Hab’ mich noch nie so gut in meinem armseligen Leben gefühlt wie jetzt.«
    »Fanny, das ist aber lieb von dir, das zu sagen. Es macht mich ebenso glücklich wie dich.«
    Keith war anscheinend nicht so begeistert von der Wasserspülung wie Unsere-Jane; er und Tom kamen so schnell zurück, als fürchteten sie, etwas Wunderbares zu versäumen. Tom sah mich überglücklich an. »Tolles Weihnachtsgeschenk, Heavenly, was?«
    Ach ja, in fünf Tagen war ja Weihnachten. Ich starrte auf den großen, geschmückten Weihnachtsbaum in der Ecke des Restaurants, das darüber hinaus noch verschwenderisch mit Weihnachtssternen dekoriert war. »Ist es nicht hübsch hier, Heavenly?« sagte Fanny mit viel zu lauter Stimme. »Wenn ich reich und berühmt bin, dann werd’ ich jeden Tag so essen!«
    Miß Deale

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