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Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Titel: Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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ihn an und – auch wenn Kitty es mißbilligen würde – hob den Koffer auf, den ich in Großmutters alten Schal gewickelt hatte. Ich ließ die Sachen meiner Mutter doch nicht hier, damit sie verkämen, schon gar nicht die schöne Puppenbraut.
    »Vergiß nicht«, rief mir Kitty hinterher, »bring nur dich und sonst nichts.«
    Ich trat aus dem Zimmer, das wir unser Schlafzimmer nannten, in meinem schäbigen, alten Mantel, das unansehnliche Bündel in meinen Armen und sah Kitty herausfordernd an. Ihre blassen Augen glitzerten eigenartig. »Hab’ ich nicht gesagt, du sollst alles hier lassen?« fragte sie mit schriller Stimme. »Kannst das schmutzige Zeug nicht in mein Haus schleppen, geht einfach nicht.«
    »Ich kann hier nicht weggehen, wenn ich nicht das Liebste auf der Welt mitnehmen darf«, sagte ich entschlossen. »Meine Großmutter hat diesen Schal gemacht, und er ist sauber. Ich habe ihn gerade gewaschen.«
    »Mußt ihn eben noch mal waschen«, meinte Kitty etwas beruhigt, aber sie sah immer noch ärgerlich aus.
    Ich blieb neben Großvater stehen und beugte mich zu ihm herab, um ihn auf seine schütteren Haare zu küssen. »Paß auf dich auf, Großvater. Fall nicht hin und brich dir keine Knochen. Ich werde dir oft schreiben, und jemand kann dir immer…« Ich zögerte, diese Fremden sollten nicht erfahren, daß Großvater weder lesen noch schreiben konnte. »Also, ich schreibe dir.«
    »Warst ‘n gutes Mädchen, warst die beste. Könnt’ mir nichts Besseres wünschen.« Er schluchzte, trocknete mit seinem Hemdszipfel die Tränen ab, und fuhr mit gebrochener Stimme fort:
    »Daß du mir ja glücklich wirst, hörst du?«
    »Ja, ich höre, und bitte paß auf dich auf, Großvater.«
    »Sei gut, hörst du mich?«
    »Ja, ich werde gut sein«, versprach ich ihm. Ich hielt meine Tränen zurück. »Auf Wiedersehen, Großvater.«
    »Wiedersehen…«, sagte Großvater, nahm ein neues Holzstück und löste die Rinde ab.
    Wann hatte er mich jemals wirklich angeschaut? Ich fühlte, daß ich weinen mußte, und ich wollte nicht, daß es Vater sah. Ich blickte ihm direkt in die Augen, und zum ersten Mal erwiderte er meinen Blick in einem stillen Kampf. Ich hasse dich, Vater. Ich werde dir nicht auf Wiedersehen sagen. Du kannst bleiben, wo du willst. Ich gehe, und es ist mir egal. Niemand braucht mich hier. Es hat mich noch nie jemand gebraucht, außer Tom, Keith und Unsere-Jane… nicht Fanny, nicht Großmutter und bestimmt nicht Großvater, der ja seine Schnitzerei hatte.
    »Wer wird denn weinen, Mädchen«, sagte Kitty ermunternd. »Hast mich ja schon früher gesehen und ‘s einfach nicht gewußt. Hab’ dich in der Kirche gesehen, wenn ich auf Besuch bei meinem Vater und meiner Mutter in Winnerrow war. Bist bei deinen Leuten gesessen und hast wie ein Engel ausgesehen, wirklich wie ‘n Engel.«
    Abrupt hob Vater den Kopf. Seine harten, dunklen Augen trafen Kittys. Er sagte kein einziges Wort und ließ mich im Dunkeln tappen. Etwas Unausgesprochenes lag zwischen ihnen, etwas, das darauf hinwies, daß sie mehr als flüchtige Bekannte waren. Der Gedanke, daß sie zu den Frauen gehörte – so ganz anders als meine Mutter –, hinter denen Vater her war, erfüllte mich mit Entsetzen.
    »Hab’ deine rothaarige Mutter beneidet«, plapperte Kitty weiter, als kümmere sie Vater überhaupt nicht – und das erregte meinen Verdacht noch mehr. »Schon als du ein kleiner Grashüpfer warst, habe ich deine Mutter beobachtet, wie sie ihre Brut in die Kirche schleppte. Hab’ sie wirklich damals beneidet. Wollt’ eines ihrer Kinder haben, waren ja alle mächtig hübsch.« Ihre laute, schrille Stimme wurde kalt und tonlos.
    »Kann selber keine bekommen.« Ihre seltsamen Augen wurden bitter und wandten sich anklagend an Vater. Oh… Sie kannte ihn!
    »‘s gibt Leute, die sagen, ich könnt’ von Glück reden, daß ich keine eigenen Kinder hab’… Aber nu’ hab’ ich ja eins… Und sie ist ‘n Engel, ein lebendiger Engel; auch wenn sie keine silberblonden Haare hat, sie hat aber ein Engelsgesicht und blaue Augen wie ‘n Engel… Stimmt doch, Cal?«
    »Ja«, stimmte Cal zu. »Sie sieht wirklich unschuldig aus, wenn du das meinst.«
    Ich hatte keine Ahnung, wovon die beiden eigentlich redeten. Ich beobachtete ängstlich den stummen Kampf zwischen Vater und Kitty, die sich offensichtlich kannten. Ich hatte diese Frau nie vorher gesehen, und sie war nicht der Typ, den man leicht übersah. Ich schaute zu Vater, der mitten im Zimmer

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