Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel
wieder.
Der pulsierende Schmerz in meinem Kopf wurde stechend scharf. Was tat ich eigentlich hier? Ich, ein Niemand, ein Nichts, kam, um mit dem Mann zu kämpfen, der der siegreiche Gladiator in Winnerows sonntäglicher Arena bleiben mußte. Ziemlich bestürzt sah ich mich in der überfüllten Kirche in der Hoffnung um, ein paar freundliche Augen zu finden… aber was hatte bloß der Reverend gesagt, daß sie mich alle anstarrten?
Gesichter verschwammen zu einem einzigen, gewaltigen Klumpen mit riesigen, feindseligen Augen, und die Sicherheit, die Troys Liebe mir geschenkt hatte, blätterte wie frische Farbe von nassem Holz ab. Zitternd und geschwächt von dem Haß, der mir von allen Seiten entgegenschlug, wollte ich aufstehen, fortlaufen und Großpapa hier herausschleppen, bevor die Löwen aus den Käfigen gelassen würden!
Wie Dornröschen, das in einem feindlichen Lager zu sich kommt, verlor ich den verzauberten Zustand, der an dem Tag, an dem ich Farthinggale Manor betrat, begonnen hatte. Am Tag, an dem ich Troy gefunden hatte, hatte er sich sogar noch verstärkt.
Jetzt wirkten sie weit weg und unreal, nur Einbildungen meiner viel zu heftigen Phantasie. Ich blickte auf meine Hände hinunter, während ich den Verlobungsring mit dem neunkarätigen Diamanten zu drehen anfing. Troy hatte darauf bestanden, daß ich ihn trug, auch wenn wir nie heiraten sollten. Anschließend spielte ich gedankenlos mit meiner Perlenkette, an der ein Anhänger mit Diamanten und Saphiren baumelte – ein besonderes Verlobungsgeschenk von Troy. Merkwürdig, daß ich mich jetzt an diesen harten Juwelen festhalten mußte, um mich selbst zu vergewissern, daß ich nur Tage vorher in einem der berühmtesten und reichsten Häuser gelebt hatte. In dieser Sonntagnacht in der Kirche hatte die Zeit sich selbst verloren.
Ich wurde alt, und dann wieder jünger. Meine fiebrigen, schmerzenden Knochen brauchten dringend ein Bett.
»Laßt uns gemeinsam die Köpfe senken und beten«, wies der Reverend an, der endlich aufhörte, mich mit Blicken festzunageln. Ich konnte wieder freier atmen. »Laßt uns demütig um Vergebung bitten, damit wir dieses neue Kapitel unseres Lebens betreten können, ohne die alten Sünden mitzuschleppen, den alten Kummer und die alten Versprechungen, die nie gehalten wurden. Laßt uns jeden Tag aufs neue Ehrfurcht denen gegenüber empfinden, die uns vielleicht nach unserer Meinung in der Vergangenheit Übles getan haben. Und laßt uns auch uns selbst dazu verpflichten, nur das den anderen zuzufügen, was wir auch selbst wollen. Wir sind Sterbliche, die auf dieses Ende gestellt wurden, um unser Leben in Demut zuzubringen, ohne Abneigungen und ohne Groll…«, so redete er immer weiter, offensichtlich an mich gewandt. Endlich war die Predigt vorbei, und er hatte nichts gesagt, was ich nicht schon früher gehört hätte. Was also brachte mich auf den Gedanken, er würde mich warnen, Frieden zu bewahren? War er informiert, daß ich darüber Bescheid wußte, daß er das hübsche, kleine Mädchen gezeugt hatte, das von einem rückwärtigen Kinderzimmer hereingebracht und, immer noch schlafend, in die Arme seiner Frau gelegt wurde? Ich stand auf, half Großpapa auf die Füße und ging auf die Tür zu. Ich blieb nicht auf meinem Platz, wie man es von allen lumpigen Hillbillys erwartete, damit sie die Letzten waren, die hinausgehen und die fromme, geheiligte Hand des Reverends schütteln durften.
Kaum waren Großpa und ich draußen auf der Straße, die vor heißer Feuchtigkeit dampfte, als ein Mann rasch auf mich zueilte und meinen Namen rief. Mein erster Gedanke war – Logan… dann sank mir das Herz in die Hose. Es war Cal Dennison, der seine Hand ausstreckte und mich mit einem glücklichen Lächeln anstrahlte. »Heaven, liebe Heaven«, schnaufte er, »wie schön, dich wiederzusehen! Du siehst wunderbar aus, absolut wunderbar… jetzt erzähl mir mal alles von dir, was du gemacht hast und wie dir Boston gefällt.«
»Boston mag ich sehr«, gab ich zur Antwort, wobei ich mich an Großpas Arm klammerte und auf das Hotel zusteuerte, in dem ich abgestiegen war. Die Main Street langsam hinunterzugehen kam einem Spießrutenlaufen gleich. Jeder starrte uns an, dabei hatte ich gar kein Bedürfnis mit Cal Dennison gesehen zu werden!
»Heaven, versuchst du, mich abzuschieben?« fragte Cal. Auf seinem gutaussehenden Gesicht glitzerte der Schweiß, »können wir nicht irgendwo hingehen, uns hinsetzen, etwas trinken und dann
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