Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel
endlich den Mut fand, Logans Nummer zu wählen, klang seine Stimme, wie ich schon befürchtet hatte, längst nicht so warm und teilnahmsvoll wie zu der Zeit, als er mich noch liebte. »Ich bin froh über deinen Anruf, Heaven«, meinte er kühl und distanziert. »Ich würde mich gern mit dir diesen Samstag treffen, aber es wird nur kurz möglich sein, denn bis nächste Woche muß ich eine große Arbeit abliefern.«
Schande über ihn, doppelt Schande über ihn! Der kühle Tonfall in seiner Stimme hatte mich gekränkt, es war derselbe, den seine Mutter immer hatte, wenn sie mich unglücklicherweise mit ihrem einzigen, herzallerliebsten Sohn ertappte. Loretta Stonewall haßte mich und hatte nur schwach versucht, ihre Mißbilligung über die liebevolle Beschäftigung ihres Sohnes mit Hillbilly-Pack zu verbergen. Sogar ihr Mann war ihrem Beispiel gefolgt, obwohl er einige Male über die offensichtliche Feindseligkeit seiner Frau entsetzt gewesen war. Aber ich würde Logan an diesem Nachmittag treffen, egal wie kühl er geklungen hatte. Zwei Stunden brauchte ich, um mich fertigzumachen – ich mußte einfach Spitze aussehen.
Mein Taxi kam, und Tony stand am Haupteingang und winkte, während ich auf einen der Lieblingstreffpunkte der Jungs von B. U. zusteuerte, das Boar’s Head Café.
Alle möglichen Schwierigkeiten auf der Suche nach Logan hatte ich mir überlegt, sogar, daß er so tun würde, als ob er mich nicht wiedererkennen oder überhaupt nicht kennen würde. Denn ich hatte nichts unternommen, um auch nur annähernd so schäbig auszusehen wie das Mädchen aus den Bergen, für das ich mich geschämt hatte. Und dann bemerkte ich Logan, der am Fenster des Cafés saß. Er scherzte und unterhielt sich intensiv mit einem hübschen Mädchen, das ihm gegenübersaß. Diese Möglichkeit war mir nie in den Sinn gekommen, zumindest nicht ernsthaft, daß er nämlich noch eine andere mit ernsten Absichten treffen könnte. Da stand ich also, während der Schnee leise fiel, und wußte nicht, was ich jetzt tun sollte. Der Oktober war gekommen und vergangen, und jetzt hatten wir Mitte November. Wie schön wäre es gewesen, Logan nach Farthinggale Manor einzuladen. Vor einem gemütlichen Kaminfeuer hätten dann Logan und Tony die Gelegenheit gehabt, einander kennenzulernen. Nachdenklich seufzte ich über alle meine Wünsche, die offensichtlich nie wahr würden. Und dann, ich traute meinen Augen nicht, beugte sich Logan über den Tisch und berührte mit seinen Lippen leicht das Gesicht des Mädchens! Das Ganze endete in einem richtigen Kuß, einer, der dauerte und dauerte. Er küßte sie so, wie er mich nie geküßt hatte! Ich haßte ihn! Ich haßte sie! Schande über dich, Logan Stonewall! Du bist nicht anders als irgendein x-beliebiger Kerl!
Ich drehte mich auf dem Absatz um und dachte nicht daran, daß frisch gefallener Schnee so rutschig sein könnte. Und bumms! lag ich da, platt auf dem Rücken. Hilflos zappelte ich, starrte zum Himmel hinauf und war total verblüfft, daß ich mich so ungeschickt hatte verhalten können. Mir tat nichts weh. Ich wies jeden zurück, der mir aufhelfen wollte – bis Logan aus dem Café rannte. Seine ersten Worte bewiesen, daß er mich diesmal erkannte. »Mein Gott, Heaven, wieso liegst du denn da auf dem Rücken?«
Ohne um Erlaubnis zu fragen, schob er seine Hände unter meine Achseln und zog mich in die Höhe. Ich strauchelte, während ich Fuß zu fassen suchte, und das zwang mich, mich an ihm festzuhalten. Seine Augen funkelten amüsiert. »Wenn du das nächste Mal Stiefel kaufst, würde ich an deiner Stelle solche mit niedrigeren Absätzen probieren.«
Das Mädchen im Café starrte mit ärgerlichen Augen heraus.
»Hallo, Fremder«, begrüßte ich ihn mit heiserer, tiefer Stimme und versuchte, meine Verlegenheit zu verbergen. Da ich meinen Halt wiedergefunden hatte, ließ ich ihn los und bürstete dann den Schnee von meinem Mantel. Ich warf ihm einen ärgerlichen Blick zu, der getroffen hätte, wenn Blicke töten könnten. »Ich habe dich im Café beobachtet, wie du das Mädchen geküßt hast, das zu uns äußerst erbost herausstarrt. Gehörst du denn jetzt ihr?«
Wenigstens war er anständig genug, rot zu werden. »Sie bedeutet mir nichts, nur eine Art, den Samstag nachmittag zu verbringen.«
»Tatsächlich«, antwortete ich so eisig wie möglich. »Ich bin sicher, du würdest nicht so verständnisvoll sein, wenn du mich in derselben Situation erwischen würdest.«
Er wurde noch röter.
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