Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel
Wind an nachzulassen. Der Schnee schmolz, und Anzeichen für den Frühling ließen meine Sehnsucht nach den Willies wachsen.
Tom schrieb und riet mir, die Berge und die Zeit damals zu vergessen. »Bitte, Heaven, verzeihe Pa. Er ist jetzt anders, wie ein neuer Mensch. Und seine Frau hat ihm den dunkelhaarigen, ihm ähnlich schauenden Sohn geschenkt, den Ma immer gewollt hatte und nie bekam.«
Im April konnte ich zum ersten Mal ein Fenster öffnen und dem Geräusch der Brandung zuhören, ohne nervös zu werden.
Logan hatte nicht einmal einen Versuch unternommen, mit mir Kontakt aufzunehmen, und jeden Tag wurde er mehr zu einer bloßen Erinnerung. Trotzdem tat es weh, wirklich weh, wenn ich seinem seltsamen Verhalten mehr als nur einen flüchtigen Gedanken widmete. Ich hatte keine Sehnsucht danach, einen neuen Freund zu suchen, und schlug die meisten Rendezvous aus. Ab und zu ging ich mit einem Jungen ins Kino oder zum Essen, aber unvermeidlich gab er bei mir auf, sobald er begriff, daß nach dem »ersten Schritt« nichts mehr folgte. Ich wollte mich einfach nicht mehr engagieren, nur um wieder verletzt zu werden. Später, später würde ich mir den Kopf über Liebe und Romantik zerbrechen, jetzt war ich damit zufrieden, mich auf meine schulischen Ziele zu konzentrieren.
Der einzige Mann, von dem ich viel sah, und auch der einzige, der Logans Platz in meinem Herzen einnahm, war der Mann, von dem ich mich fernhalten sollte – Troy Tatterton. Wenigstens einmal pro Woche, sobald Tony und Jillian fort waren, schlüpfte ich hinüber und verbrachte Stunden im Gespräch mit ihm. Es war so ein Vergnügen, jemanden zum Reden zu haben, jemanden, der sich tatsächlich um mich kümmerte und Bescheid wußte, wer ich war.
Unbedingt wollte ich mit Tony über Troy reden, aber es war ein gefährliches Thema, das Tonys Augen sofort mißtrauisch werden ließ. »Ich hoffe bei Gott, du beachtest meine Warnung und hältst dich von meinem Bruder fern. Er wird nie eine Frau glücklich machen können.«
»Warum sagst du das? Liebst du ihn denn nicht?«
»Ihn nicht lieben? Troy war immer meine größte Verantwortung und die wichtigste Person in meinem Leben. Aber er ist nicht leicht zu verstehen. Er wirkt auf eine rührende Art verletzlich, und das zieht die Frauen an, als ob sie merken würden, daß Sensibilität bei so einem gutaussehenden, begabten jungen Mann selten ist. Aber er ist nicht wie andere Männer, Heaven, denk daran. Sein ganzes Leben lang war er rastlos, immer auf der Suche nach etwas, das außer Reichweite liegt.«
»Wonach sucht er denn?«
Tony gab seine Zeitungslektüre auf und runzelte die Stirn. »Laß uns mit dieser Unterhaltung aufhören, die doch nirgendwo hinführt. Wenn die Zeit reif ist, werde ich drauf schauen, den richtigen jungen Mann für dich zu finden.«
Ich lehnte seine Worte ab! Ich würde selbst meinen richtigen jungen Mann finden! Ich lehnte alles Kritische, was er über seinen Bruder sagte, ab, denn ich fand Troy so bewundernswert! Welche Frau wäre nicht entzückt, einen Mann mit so vielen häuslichen Fähigkeiten zu besitzen? Glücklich, glücklich würde das Mädchen sein, das Troy heiratete. Verwunderlich dabei war nur, daß er nicht einmal eine Freundin hatte.
Bald standen Vorbereitungen für die Abschlußfeier an erster Stelle von allen Aktivitäten in Winterhaven. Endlich, endlich war ich auf meinem direkten Weg zum College und zur Selbstachtung. Mehr als alles wünschte ich mir, Tony und Jillian kämen zur Abschlußfeier, um zu hören, wie mein Name als zukünftiger Student aufgerufen würde.
Jillian runzelte die Stirn, als sie die dicke, weiße Einladung las. »Ach, Heaven, du hättest mir das früher erzählen müssen. Ich habe Tony versprochen, in dieser Woche mit ihm nach London zu reisen.«
Die Enttäuschung trieb mir beinahe die Tränen in die Augen. Kein einziges Mal hatte sie den leisesten Versuch unternommen, mein Leben zu teilen. Mit einer stummen Bitte drehte ich Tony den Kopf zu. »Tut mir leid, meine Liebe«, antwortete er sanft, »aber meine Frau hat recht. Du hättest uns auf das Datum deiner Abschlußfeier gut vorbereiten müssen. Ich dachte, sie wäre Mitte Juni, und nicht in der ersten Juniwoche.«
»Sie haben das Datum vorverlegt«, flüsterte ich mit erstickter Stimme. »Könnt ihr eure Reise nicht verlegen?«
»Es handelt sich um eine Geschäftsreise, und obendrein um eine sehr wichtige. Aber glaube mir, wir werden dich für unsere Vernachlässigung mit
Weitere Kostenlose Bücher