Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel
mit der letzten Flasche? Du hast doch einen Weinkeller unterm Haus mit genug Champagner fürs nächste halbe Jahrhundert.«
»Ganz literarisch«, antwortete er. »Ich habe es poetisch gemeint. Der Versuch, dir zu erzählen, daß Winter und Kälte die morbide Seite zum Vorschein bringen, die ich meistens vor dir zu verheimlichen suche. Mir liegt zu viel an dir, ich möchte nicht, daß du dich zu intensiv in unsere Beziehung verwickelst ohne zu begreifen, wer und was ich bin.«
»Ich weiß, wer und was du bist!«
»Nein, das tust du nicht. Du kennst nur das, was ich dir zu sehen gestattet habe.« Seine dunklen Augen drehten sich zu mir und befahlen, keine Fragen zu stellen. »Hör zu, Heaven, ich versuche dich zu einem Zeitpunkt zu warnen, an dem du dich noch zurückziehen kannst.«
Ich öffnete die Lippen zum Antworten, bereit zum Widerspruch, aber er legte mir seine Finger auf die Lippen, um mich verstummen zu lassen.
»Warum glaubst du wohl, hat Tony dir befohlen, mich zu meiden? Für mich ist es sehr schwierig, auf der fröhlichen, optimistischen Seite zu bleiben, die nur gedeiht, wenn die Tage länger werden und die Wärme zurückkommt.«
»Wir können immer in den Süden ziehen!« rief ich heftig und haßte seine ernsthafte Art, den verdüsterten Ausdruck seiner Augen.
»Ich habe das schon versucht, habe Winter in Florida, Neapel, Italien verbracht. Ich bin durch die ganze Welt gereist und versuchte zu finden, was anderen so leicht gelingt, aber ich trage meine winterlichen Gedanken in mir.« Er lächelte, aber mir war nicht wohl dabei. Es war kein Scherz, obwohl er leichthin zu reden versuchte. Hinter seinen Pupillen lauerte die Dunkelheit, tief wie ein bodenloser Abgrund.
»Aber der Frühling kommt doch immer wieder, gefolgt vom Sommer«, antwortete ich rasch, »so wenigstens habe ich’s mir immer vorgesagt, wenn wir froren und hungerten und der Schnee anderthalb Meter hoch lag, und Winnerow sieben Meilen weg war.«
Seine weichen, warmen Augen liebkosten mich und trieben mir die Wärme ins Gesicht. Er schenkte mir noch mal Champagner in mein Glas. »Ich wünschte, ich hätte dich damals gekannt, und Tom und die anderen. Ihr hättet mir so viel von eurer Energie weitergeben können.«
»Troy! Hör auf, so zu reden!« begehrte ich erschreckt auf, weil ich seine Stimmung nicht begriff. Ich war zornig, weil er mich jetzt eigentlich küssen sollte, meine Kleider ausziehen sollte, anstatt zu reden. »Was versuchst du denn, mir zu erzählen? Daß du mich nicht liebst? Daß du es bedauerst, mit mir geschlafen zu haben? Gut, ich bedauere gar nichts. Mir wird’s nie leid tun, daß du mir wenigstens eine Nacht mit dir geschenkt hast! Und wenn du meinst, du könntest mich ausradieren, dann liegst du falsch. Ich bin ein Teil deines Lebens, Troy, ganz tief drinnen. Und wenn dich der Winter traurig und morbide macht, werden wir gemeinsam der Sonne folgen, und während all dieser Nächte werden dich meine Arme so festhalten, daß du nie wieder einen Alptraum haben wirst.«
Aber als ich mich sehnsüchtig nach ihm ausstreckte, trieb mein Herz an den Rand eines Abgrundes, jeden Moment bereit, hinunterzustürzen und zu sterben, wenn er mich zurückweisen würde!
»Ich möchte nichts mehr hören!« rief ich, ehe ich meine Lippen auf seine preßte. »Nicht jetzt, bitte, jetzt nicht!«
ZWEITER TEIL
11. K APITEL
J ANUAR IM J ULI
Einige Male versuchte Troy, mir wieder seine traurige Geschichte von Winter, Schwachheit und Tod zu erzählen, aber ich stellte mich schützend vor unsere Freude und unsere Leidenschaft. Immer und immer wieder brachte ich ihn mit Küssen zum Verstummen. Drei Nächte und zwei Tage lang waren wir ein glühendes Liebespaar, das es nicht ertragen konnte, länger als ein paar Minuten getrennt zu sein. Die Gärten, die Farthy umgaben, verließen wir nicht und riskierten es auch nicht, nochmals durch die Wälder zu reiten. Für unsere Pferde wählten wir keine riskanten Wege mehr und entfernten uns nie zu weit. Denn wir wollten so rasch wie möglich wieder in die Hütte zurückkehren, zu dem sicheren Gefühl, das wir bei unseren Umarmungen hatten. Am frühen Abend eines Tages hatte sich der Regen übers Meer hinaus verzogen, und die Sonne war endlich wieder am Horizont aufgetaucht. Troy hielt mich auf dem Boden vor seinem Kaminfeuer eng umschlungen. Aber diesmal war er sehr hartnäckig.
»Du mußt mir zuhören, versuche nicht, mich wieder wegzuschieben. Ich
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