Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel
selbst!«
»Du bist nicht Fanny«, hatte er einmal geschrieben. »Mädchen wie du verlieben sich nur einmal und ändern ihre Ansichten nicht.«
Wofür hielt er mich denn? Für einen Engel? Für eine Heilige ohne Makel? Ich war kein Engel oder eine Heilige. Dazu hatte ich die falsche Haarfarbe. Ich war ein schwarzer Engel, durch und durch eine nichtsnutzige, lumpige Casteel! Pas Tochter! Er hatte mich zu dem gemacht, was ich war – was immer das sein sollte.
Mit Troy hatte ich erst vergangene Nacht gesprochen, und er hatte mich aufgefordert, meine ganze Familiengeschichte rasch in Ordnung zu bringen und dann schnell zurückzukehren.
»Solltest du Tom überreden können, zu unserer Hochzeit zu kommen, ohne Rücksicht auf Tonys Ansicht, dann hättest du wenigstens nicht das Gefühl, alle Gäste kämen von meiner Seite. Vielleicht möchte aber auch Fanny kommen.«
Ach, Troy hatte keine Ahnung, wonach er fragte, als er meine Schwester Fanny einlud! Alle möglichen sonderbaren Gedanken gingen mir durch den Sinn, während ich in den frühen Morgen hinein zu einer kleinen Stadt fuhr, die ich auf einer Umgebungskarte rot eingekreist hatte. Ich starrte auf den roten Staub entlang der Straße und ließ mich davon in die Zeit zurückversetzen, die ich mit Kitty und Cal Dennison verbrachte. Zum ersten Mal, seit ich aus West-Virginia fortgeflogen war, blieben meine Gedanken bei den Erinnerungen an Cal hängen. Ob er noch immer in Candlewick lebte? Hatte er wohl das Haus, das Kitty gehört hatte, verkauft? War er wieder verheiratet? Sicher hatte er die richtige Entscheidung getroffen, als er mich in das Flugzeug nach Boston setzte und mich im Glauben ließ, Kitty würde trotz ihres schweren Tumors überleben.
Ich schüttelte den Kopf, denn ich wollte nicht über Cal nachdenken, wenn ich mich doch auf meine Begegnung mit Tom konzentrieren mußte. Irgendwie mußte ich ihn davon überzeugen, Pa zu verlassen und seine Ausbildung fortzusetzen. Troy würde die Kosten dafür übernehmen und ihm auch Kleidung, und was er sonst noch brauchte, bezahlen. Aber sogar während ich dies durchdachte, mußte ich Toms störrischen Stolz beiseite schieben, denselben, den ich auch hatte. Dann hatte ich mich plötzlich auf irgendwelchen Landstraßen verfahren. Ich mußte zurückstoßen und wenden, um die richtige Straße zu finden, die mich zu Tom und dem Haus bringen würde, in dem Pa mit seiner neuen Familie lebte. Ein Stück von Florida war hier heimlich nach Georgia eingedrungen und gab der Landschaft einen fast tropischen Anstrich. Als ich mich meinem Ziel näherte, hielt ich den Wagen an der Straßenseite an, um mein Make-up aufzufrischen. Zehn Minuten später kam mein langer, dunkelblauer Lincoln vor einem niedrigen, ausgedehnten Landhaus im modernen Stil zum Stehen.
Innerlich hatte ich eine dumpfe Ahnung von einem sensationellen Ereignis und das gab mir ein unwirkliches Gefühl: Die vielen Meilen gefahren zu sein, um mich wieder in die Reichweite von Pa’s Grausamkeit zu begeben. Was für ein Narr war ich bloß?
Ich schüttelte den Kopf, blickte noch mal kurz in den Rückspiegel, um mein Äußeres zu prüfen, und dann sah ich wieder zu dem modernen Haus hinüber. Es war aus rötlichen Zedernholzschindeln gebaut. Das flache Dach ging über die vielen Fenster hinaus, um Schatten zu spenden. Viele Bäume warfen Schatten auf das Dach, gut gepflegte Sträucher säumten die Mauern, während sich von den Sträuchern weg Blumenbeete nach draußen hinzogen. Ach, sicher wollte Pa mit diesem Haus, das vier bis fünf Schlafzimmer haben mußte, der Welt etwas beweisen. Und kein einziges Mal hatte Tom auch nur eine Andeutung fallen lassen, womit Pa denn genug Geld verdiente, um so ein Haus bezahlen zu können.
Wo war bloß Tom? Warum kam er nicht zur Tür heraus, um mich zu begrüßen? Schließlich wurde ich ungeduldig, stieg aus dem Auto und ging den Fußweg zur zurückgesetzten Tür entlang. Ich hatte Angst, Pa selbst könnte es sein, der auf mein Klopfen antwortete, gegen Toms Versprechen, uns nicht zusammenzubringen. Aber mit mir war alles in Ordnung. Mein Designer-Kostüm, das über tausend Dollar gekostet hatte, war so gut wie eine Rüstung. Meine kostbaren Ringe, Ketten und Ohrringe waren mein Schild und mein Schwert. In meiner Kleidung hätte ich Drachen erschlagen können – oder so etwas Ähnliches, dachte ich. Ungeduldig drückte ich auf die Türklingel, drinnen hörte ich ein Glockenspiel ein paar Noten spielen. Mein Herz klopfte
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