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Casteel-Saga 03 - Gebrochene Schwingen

Casteel-Saga 03 - Gebrochene Schwingen

Titel: Casteel-Saga 03 - Gebrochene Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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anders als sonst.«
    »Wie kommt das?« Ich zögerte, ehe ich die Tür zu Jillians Schlafzimmer öffnete.
    »Nun, Sie wissen ja, sie lebt in der Vergangenheit, meint, sie wäre jung und schön. Sie redet mit Menschen, die schon lange tot sind, und bezieht sich auf Ereignisse, die schon lange vergangen sind.«
    »Ja, und?«
    »Das alles hat sie in den letzten Tagen nicht getan. Sie hat nicht einmal versucht, sich zu schminken.«
    »Aber Tony… Mr. Tatterton hat mir gerade gesagt, sie hätte sich nicht verändert, seit wir nach Winnerow gefahren sind.«
    »Seit Sie losgefahren sind, Mrs. Stonewall, ist er, fürchte ich, nicht einmal hier gewesen. Er war drei Tage verreist, und wenn er hier war, hat er viel gearbeitet.«
    »Aber was macht sie denn die ganze Zeit, wenn sie nicht mehr so ist wie früher?«
    »Es ist schlimmer… sie sagt, die Toten sind zurückgekommen.«
    »Das kommt, weil sie denkt, ich wäre meine Mutter«, sagte ich und lächelte. »Das kommt durch meine Haarfarbe. Ich bin schon am Überlegen, ob ich wieder meine natürliche Farbe nehmen soll und – «
    »Ja, Mrs. Stonewall«, unterbrach mich Martha. »Aber davor war sie immer in derselben Zeit. Sie nahm Sie als Ihre Mutter, und sie sah sich selbst zu der Zeit, als Ihre Mutter noch lebte. Sie war zusammen mit Ihnen in der Vergangenheit. Jetzt ist sie in der Gegenwart, doch sie schwört, daß Menschen, die einst gelebt haben, von den Toten zurückgekehrt sind. Ich kann es nicht gut erklären, aber warten Sie ab, Sie werden es selbst sehen. Sie ist sehr ruhig und sehr aufmerksam, aber sie hat Angst, so wie jemand, der wirklich einen Geist gesehen hat. Sie ist in einem Schockzustand. Ich muß sagen, Mrs. Stonewall, das ist das erste Mal, wo es mir über den Kopf wächst, für Ihre Großmutter zu sorgen.«
    »Aber Martha – «
    »Und Mr. Rye Whiskey ist keine Hilfe für mich, wenn er die ganze Zeit von Geistern und Gespenstern redet. Alle Diener reden schon von Geistern.« Sie sah auf den Boden, als ob sie sich schämte.
    »Ich merke schon, da kömmt noch mehr«, sagte ich schnell. »Reden Sie weiter. Erzählen Sie mir auch den Rest.«
    »Es ist dumm, Mrs. Stonewall. Es kommt, weil so viel im Augenblick passiert.«
    »Was ist es, Martha? Haben Sie keine Angst und erzählen Sie es mir.«
    »Nun gut. Ich wachte neulich nachts auf und…«
    »Ja?«
    »Und ich hörte Musik, Klaviermusik.«
    Ich schaute sie an und mein Körper wurde so kalt, daß ich dachte, ich hätte alle Gefühle darin verloren. Einen Moment lang konnte ich nicht sprechen.
    »Das müssen Sie sich eingebildet haben«, sagte ich und brachte nur noch ein Flüstern heraus.
    »Ich weiß, Mrs. Stonewall. Ich habe bis jetzt auch mit niemandem darüber gesprochen. Aber, verstehen Sie, das gehört auch zu den Dingen, die Ihre Großmutter beunruhigen. Mir gefällt das nicht. Sie schaut mich anders an, und sie verbringt Stunden damit, aus dem Fenster auf das Labyrinth zu sehen.«
    »Das Labyrinth?«
    Martha nickte langsam.
    »Das macht sie auch in diesem Augenblick«, sagte sie. Ich schaute erst die Schlafzimmertür an und dann sie. Die Frau sah ernstlich verstört aus. Wie kam es, daß Tony das nicht bemerkt hatte? War es ihm dermaßen gleichgültig? Wenn das so weiterging, würde er Martha Goodman verlieren.
    »Vielleicht kann ich sie wieder zu Sinnen bringen, wenn ich mit ihr rede.«
    »Hoffentlich, Mrs. Stonewall. Meiner Meinung nach wäre sie besser aufgehoben an einem Platz, wo sie ärztliche Betreuung erhält.«
    Langsam faßte ich nach der Klinke der Schlafzimmertür, dann trat ich ein. Jillian war dort, wo Martha gesagt hatte, daß ich sie finden werde – am Fenster mit Blick auf das Labyrinth.
    Der schwere Duft ihres Jasminparfüms stach mir sofort in die Nase. Plötzlich wußte ich, was mir bei ihrer Verrücktheit so fremd vorgekommen war. Sie hatte Stunden damit verbracht, vor dem leeren Spiegelrahmen zu sitzen und sich zu schminken, aber sie hatte nicht ihr Lieblingsparfüm benutzt, an dessen Duft ich mich so gut erinnern konnte. Nun hatte sie es getan.
    Anders als sonst war sie nicht mit einem ihrer feinen Nachthemden bekleidet. Ruhig saß sie da in einer schwarzen Chiffonbluse und einem schwarzen Rock. Als sie mich hörte und sich zu mir umdrehte, sah ich, daß sie kein Make-up trug, daß ihr Haar aber sauber nach hinten gebürstet und an den Seiten festgesteckt war.
    »So«, sagte sie, »bist du also auch zurückgekommen.« Sie ließ darauf ein kurzes, trockenes Lachen

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