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Casteel-Saga 03 - Gebrochene Schwingen

Casteel-Saga 03 - Gebrochene Schwingen

Titel: Casteel-Saga 03 - Gebrochene Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Die Hütte strahlte nicht nur Zeitlosigkeit, sondern auch Gegenwart aus. All die antiken Uhren gingen richtig. Wie um meine Entdeckung noch zu unterstreichen, schlug die Standuhr die volle Stunde, und die hellblaue Spieluhr, die nach dem Vorbild der Hütte gebaut worden war, öffnete das vordere Türchen, aus dem eine winzige Familie hinaustrat und sich dann wieder zurückzog. Dazu spielte jene süße, eindringliche Melodie.
    Ich ging zum Arbeitstisch hinüber, auf dem Troy seine Tatterton-Kreationen gefertigt hatte. Da lagen ungefähr ein halbes Dutzend kleiner Rüstungen und ein paar Silberstückchen, die wie ein S geformt waren, mit Löchern an beiden Enden. Daneben befanden sich kleine Schrauben, um sie zusammenzufügen. Wenn die silbernen Glieder zusammengesteckt waren, konnte man das Kettenhemd frei bewegen. Sie waren so winzig und wertvoll zugleich! Es kam mir jedoch seltsam vor, wie sauber und staubfrei all diese Teile und Stückchen waren. Einzelne Werkzeuge, die Troy zu benutzen pflegte, lagen neben ihnen auf dem Tisch. Ganz sicher konnte ich mir nicht sein. Denn ich war ja so schnell weggelaufen, als ich das erste Mal zurückgekommen war. Aber es schien mir, als wenn diese Werkzeuge fein säuberlich nebeneinander aufgereiht in der Nische in der Wand untergebracht gewesen wären. An diese fertigen und halbfertigen Teile auf dem Tisch konnte ich mich nicht erinnern. Hatte Tony einen anderen Künstler angeworben, der nun in Troys Hütte lebte und arbeitete?
    Ich beschloß, dem nachzugehen. Zu meiner Überraschung war die Küche mit frischen Lebensmitteln versorgt. Als ich den Teekessel auf dem Herd berührte, fühlte ich, daß er warm war. Irgend jemand hatte noch vor kurzer Zeit eine Tasse Tee zubereitet. Warum erlaubte es Tony, daß die Hütte benutzt wurde? War er deshalb so zurückhaltend gewesen, als ich ihn um Erlaubnis gebeten hatte, die Hütte zu besuchen? Hatte er deshalb das Gespräch auf Troys Tod gelenkt, um so die ganze Unterhaltung über die Hütte zu beenden?
    Beim Durchsuchen der Hütte entdeckte ich außer den winzigen Waffen auf dem Tisch noch mehr Gegenstände, die gerade in Arbeit waren. Auf den Regalen waren wertvolle kleine Burgen und Strohhütten aufgestellt, die von mittelalterlichen Miniaturmenschen bevölkert waren. Die Replik einer alten englischen Kathedrale war nur zur Hälfte angemalt, und ein paar ihrer winzigen, bunten Glasfenster waren noch nicht eingefügt. Daneben die Anfänge einer feudalen Schlachtszene, in der Ritter zu Pferd mit ausgestreckten Lanzen Pfeilschützen in Waldgrün bedrohten. Auf einem kleinen Hügel stand eine schöne Maid, die sich zweifellos um ihren jungen Ritter sorgte. Neben ihr hielten zwei Hofdamen Spitzentaschentücher vor das Gesicht.
    Jetzt verstand ich, was Tony getan hatte, und mir wurde eiskalt ums Herz. Er ließ mich glauben, daß er die Hütte zu einem lebendigen Schrein für seinen toten Bruder umgewandelt hatte, vielleicht aus einem unbestimmten Schuldgefühl heraus. Statt dessen dachte er nur ans Geschäft und an seine kleinen, kostbaren Spielsachen. Er hatte jemanden gefunden, der so geschickt wie Troy war, und hatte ihn in Troys Hütte untergebracht! Voller Scham hatte er nun wohl befürchtet, daß ich herausfinden würde, worauf es ihm am meisten ankam – nämlich immer mehr und mehr Geld zu scheffeln. Ich hatte angenommen, daß auch ihm das gleiche heilig und kostbar sein würde wie mir. Aber das war ein Irrtum gewesen. Jetzt fühlte ich mich wie eine Ehefrau, die herausfindet, daß ihr Vater die Kleidung und die Wertsachen ihres toten Ehemanns weggegeben hat.
    Wutentbrannt drehte ich mich auf dem Absatz um. Ich wollte nach Farthy zurücklaufen, dort auf Tony warten und ihn mit meiner Entdeckung konfrontieren. Aber etwas anderes erregte meine Aufmerksamkeit – die Kellertür stand halb offen. Einen Augenblick lang starrte ich sie an, dann lächelte ich in mich hinein. Natürlich, dachte ich. Derjenige, den Tony angestellt und dem er erlaubt hatte, die Hütte zu benutzen, mußte mein Kommen gehört und sich im Keller verborgen haben. Vielleicht hatte Tony ihn vor mir gewarnt, nachdem wir beide uns über die Hütte unterhalten hatten. Vielleicht hatte er ihm auch untersagt, mit mir zusammenzutreffen. Ich entschloß mich, diese Person zu stellen.
    Ich ging zur Tür und die Treppe hinunter. Aber ich hatte vergessen, wie dunkel es unten in dem großen, fensterlosen Raum und in den unterirdischen Gängen, die zum Haupthaus führten, war.

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