Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
hast.«
»Lügen, das sind alles Lügen!« protestierte ich. Warum tat sie das bloß? »Ich wollte ihm nicht Modell stehen. Erinnerst du dich denn nicht? Du hast mich dazu gebracht, es zu tun. Und hinterher, als ich dann zu dir gekommen bin…«
»Ja, du bist zu mir gekommen, weil du erreichen wolltest, daß ich eine Abneigung gegen Tony entwickle. Du hast versucht, mich eifersüchtig zu machen. Genau das hast du getan«, schloß sie, und ihre Augen leuchteten auf. »Du hast geglaubt, wenn du diese Geschichten erfindest…«
»Er hat es getan, Mama! Es waren keine erfundenen Geschichten!«
»Er hat dich angefaßt, aber nicht so, wie du es mich glauben machen wolltest. Und als dir all das nichts genutzt hat, hast du ihn in dein Schlafzimmer gelockt. Als er dir widerstehen wollte, hast du ihm die Wahrheit über mein Alter ins Gesicht geschrien, weil du einen Keil zwischen ihn und mich treiben wolltest!« Ich erkannte, daß sie mir das niemals verzieh. »Und weil er eben doch nur ein Mann ist, ist er dir schließlich erlegen, und jetzt sieh dir nur an, was du damit erreicht hast. Nun, ich hoffe, du bist stolz auf dich, kleine Prinzessin!« zischte sie. Sie war mir noch nie derart häßlich erschienen.
»Mama, nichts von alledem ist wahr. Das kannst du doch nicht ernsthaft glauben.«
»Und nachdem ich mich so sehr bemüht habe, dich gut zu erziehen, dir verständlich zu machen, wie Männer und Frauen miteinander umgehen sollten und daß eine Frau ihre Tugend standhaft bewahren muß, wenn sie die Achtung und die Bewunderung der Männer erringen will. Ich habe es dir doch gesagt!« schrie sie. »Anständige Mädchen kennen ihre Grenzen!«
Ihr Schrei ließ jegliche Liebe und Achtung, die mir hoch für sie geblieben war, in Stücke springen. Die Gefühle zerbrachen, zersplitterten und sprangen wie eine hauchdünne Porzellanplatte, und die Scherben rieselten durch meine Erinnerung – Bruchstücke aus liebevollen Gesprächen, Momente aus glücklicheren Zeiten, die abgerissenen Laute von klirrenden Glöckchen und Musik aus geliebten Spieldosen, Lachen, kleine Küsse auf meine Wangen und meine Stirn.
Ich ertrug es einfach nicht mehr. Ich war hier nicht die Eifersüchtige, nicht diejenige, die gelogen und Verrat begangen hatte – das war sie. Und jetzt stellte sie mich, um ihre kleine Welt zu bewahren, wie sie sie haben wollte, als die Sündige hin. Mir sollte alle Schuld zugeschoben werden, obwohl ich diejenige war, der Gewalt angetan worden war.
»Du Lügnerin!« brüllte ich zurück. »Du scheinheilige Heuchlerin! Jetzt verdammst du mich dafür, zu weit gegangen zu sein. Ich kenne die Wahrheit über dich. Ich habe mitangehört, als Großmama Jana mit dir geredet hat, und ich weiß, daß Daddy gar nicht mein richtiger Vater ist, daß du mit einem anderen Mann geschlafen hast und schwanger von ihm warst. Du hast Daddy geheiratet, ohne ihm die Wahrheit zu sagen, damit er glaubt, ich sei sein Kind. Ich wußte es, aber ich habe es als ein tiefes Geheimnis in meinem Innersten bewahrt, obwohl es schrecklich schmerzhaft für mich war.«
»Also, das ist ja…« Sie lehnte sich zurück und sah mich bestürzt an.
»Das ist wahr«, unterbrach ich sie. »All das ist wahr. Aber deine Mutter hat dir geholfen, einen Mann zu finden, einen Mann, der dich liebt und achtet.«
»Das ist ja einfach lachhaft«, schnappte sie. Sie sah sich um, als hätten wir einen Zeugen, den sie für sich gewinnen mußte. »Was erzählst du denn jetzt schon wieder für Märchen? Ist das schon wieder ein Versuch, Tony und mich auseinanderzubringen?«
»Hör auf! Hör auf zu lügen!«
»Wie kannst du es wagen, mich derart anzuschreien! Ich bin deine Mutter!«
»Nein, das bist du nicht«, sagte ich kopfschüttelnd und wich vor ihr zurück. »Nein, das bist du nicht. Ich habe keine Mutter, und ich habe keinen Vater.« Ich gestattete es mir, ebenso häßliche Worte zu benutzen, wie sie es getan hatte. »Du hast geglaubt, du könntest alles haben, stimmt’s? Nur vom Besten!« fauchte ich. »Einen gutaussehenden jungen Ehemann, einen luxuriösen Landsitz, eine Garderobe, die nur aus Modellkleidern besteht, und eine von dir gewählte Mätresse für deinen eigenen Ehemann!« Ich senkte die Stimme, um zu schnurren, wie Mama es bei zahllosen Anlässen getan hatte. »Sag mir eins, Mama, wann bist du zum ersten Mal auf den Gedanken gekommen? In euren Flitterwochen? Bei der Rückkehr nach Farthy?« Meine Fragen wurden immer sarkastischer, und ich erlaubte Mama
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