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Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung

Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung

Titel: Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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keine Antwort, wie sie es allzu häufig mit mir getan hatte. »Wann hast du erkannt, daß deine Schönheit nicht ewig währt, sondern verwittert?« Ich lachte ihr ins Gesicht. »Genauso ist es, du verwelkst! Du wirst von Tag zu Tag älter, Mama. Aber in deinem tiefsten Innern hast du das schon immer gewußt. Ich kann dich nicht mehr ertragen! Dir ist alles andere gleichgültig, nur nicht du selbst und dein kostbares Gesicht. Laß dir eins von mir sagen, Jillian Tatterton, das Spiel ist aus! Du wirst Großmutter! Gibt dir das das Gefühl, jung zu sein? Wenn du auch noch so jung aussehen magst, dann kannst du doch niemals vor der Tatsache davonlaufen, daß du Großmutter bist, und der einzige Mensch, dem du das vorwerfen kannst, bist du selbst!« Ich wandte mich ab und verließ ihre Suite. Ich lief vor ihren Lügen und ihren scheinheiligen Blicken davon. Ich schlug die Tür meines Zimmers hinter mir zu, aber ich weinte nicht. An diesem abscheulichen Ort würde ich nicht mehr weinen. Ich haßte dieses Haus, und mir war verhaßt, was sich hier abgespielt hatte, aber mir war auch verhaßt, was dieser Ort aus mir gemacht hatte. Ich wußte nur noch eins: Ich mußte von hier verschwinden, von diesem Ort der Sünden, der Lügen und der Scheinheiligkeit.
    Ich riß die Tür meiner Kleiderkammer auf und schnappte mir einen Koffer. Ich warf achtlos ein paar Kleidungsstücke in den Koffer. Ich machte mir nichts aus meinen schönen Sachen und meinem kostbaren Schmuck. Ich wollte nur noch so schnell wie möglich von hier verschwinden.
    Ich klappte meinen Koffer zu und wollte die Suite verlassen, doch in der Tür blieb ich noch einmal stehen und sah mich um, als hätte mich jemand gerufen. Angel starrte mich durch das Zimmer an. Sie wirkte so traurig und verloren, wie ich es war. Wie hätte ich sie zurücklassen können? Ich zog sie in meine Arme und stürzte mit dem Koffer in der Hand aus dem Zimmer.
    Erst als ich die Treppe hinter mich gebracht hatte, blieb ich stehen, um mich zu fragen, was ich eigentlich tat und wohin ich gehen wollte. Ich konnte Farthy nicht zu Fuß verlassen. Im Umkreis von Meilen war weit und breit nichts.
    Großmama Jana, dachte ich. Ich mußte zu ihr fahren. Sie konnte mich sicher verstehen. Sie kannte Mama und wußte, was für ein Mensch sie wirklich war. Ich mußte ihr alles erzählen, was sich abgespielt hatte. Ich sah in mein Portemonnaie und stellte fest, daß ich kaum zwanzig Dollar hatte, nicht genug, um die Reise nach Texas zu bezahlen. Ich erinnerte mich daran, wo Tony in seinem Büro kleinere Geldbeträge aufbewahrte, und ich ging hin, um mir das Geld zu holen. Warum auch nicht? dachte ich. Wenn mir jemand etwas schuldig war, dann doch wohl Tony.
    In einer Schreibtischschublade lagen fast zweihundert Dollar. Das war zwar kaum ein Vermögen, aber es reichte doch für den Anfang aus. Ich stopfte das Geld in mein Portemonnaie, richtete mich auf und sah in einen Spiegel. Ich strich mir das Haar zurück, wischte mit einem Taschentuch meine Wangen ab und holte tief Luft. Ich wollte nicht so verzweifelt aussehen, wie mir zumute war. Ich hatte die Absicht, aus dem Haus zu gehen und Miles ganz beiläufig zu bitten, mich nach Boston zu bringen. Falls er Verdacht schöpfte, könnte er meine Mutter fragen, ob es ihr recht war.
    Ich trat aus dem Büro und schloß die Tür leise hinter mir. Im Haus war es still. Meine Mutter war wahrscheinlich längst wieder mit ihrer Toilette beschäftigt. Schließlich ging ihr nichts über ihr Aussehen, und sie hatte Leute eingeladen, die sie beeindrucken wollte. Curtis kam aus dem Musikzimmer und blieb stehen. Ich lächelte ihn an und versuchte, alles ganz normal erscheinen zu lassen. Er nickte mir kurz zu und ging weiter zur Küche.
    Dann trat ich aus der Haustür. Die Sonne schien so hell, daß ich blinzelte und mir die Hand über die Augen hielt. Es war ein sehr warmer Tag, und große Wolken waren hoch über den tiefblauen Himmel verteilt. Eine sachte laue Brise streichelte mein Gesicht. Die Welt hieß mich willkommen, ermutigte mich, aus dem finsteren, verwunschenen Königreich zu fliehen, das sich Farthinggale nannte.
    Miles stand vor dem Haus und polierte den Wagen. So mußte ich ihn nicht erst suchen und dabei die Aufmerksamkeit der Gartenarbeiter auf mich lenken. Er sah auf, als ich auf ihn zukam.
    »Ich bin doch nicht zu früh?« fragte ich und lächelte. Ich sah auf meine Armbanduhr und hielt sie ihm dann hin, damit er selbst sehen konnte, wie spät es

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