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Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung

Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung

Titel: Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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saß. Plangemäß sollten wir kurz nach dem Frühstück vor Anker gehen. Ich war so aufgeregt, daß es mir schrecklich schwerfiel, einzuschlafen. Ich schrieb noch lange in mein Tagebuch, bis mir die Augen zufielen, doch selbst, als ich die Lichter schon ausgemacht und die Augen geschlossen hatte, dachte ich immer noch an all die Dinge, die ich Mama erzählen wollte. Ich wollte unter keinen Umständen etwas vergessen.
    Sobald das erste Tageslicht durch mein Fenster drang, sprang ich aus dem Bett und stellte mich unter die Dusche. Ich wollte ganz schnell frühstücken und an Deck gehen, wenn wir in Boston einliefen. Doch als ich mich angezogen und gerade erst mein Haar gebürstet hatte, hörte ich ein Klopfen an meiner Tür. Es war Daddy.
    Er trug seinen dunklen Anzug, aber er sah nicht so gut aus wie sonst. Er machte den Eindruck, als sei er die ganze Nacht nicht im Bett gewesen und hätte sich im Dunkeln angezogen. Seine Krawatte war schlecht geknotet, und sein Jackett sah verknittert aus. Sein Haar war zerzaust.
    »Guten Morgen, Prinzessin«, sagte er leise. Mein Herz pochte heftig. Er sah so traurig aus; sein Gesicht war so grau wie sein Haar.
    »Guten Morgen, Daddy. Haben wir Verspätung?« Ich hatte plötzlich große Angst.
    »Nein, nein.« Er lächelte matt und schloß die Tür hinter sich. »Ich wollte dich sehen, ehe du frühstücken gehst und wir anlegen.«
    Ich drehte mich ganz zu ihm um. Mit nervösen, fahrigen Gesten sah sich Daddy einen Moment lang in meiner Suite um, als wüßte er nicht so genau, wo er sich hinsetzen sollte. Schließlich setzte er sich auf das Fußende meines Bettes. Er verschlang die Hände ineinander und beugte sich zu mir vor. Etwas mußte ihn aus der Fassung gebracht haben – das konnte ich erkennen, weil er nervöse Zuckungen um den Mund hatte und die Adern an seinen Schläfen deutlich hervortraten. Lange Zeit sagte er gar nichts, bis ich glaubte, ich würde vor Nervosität gleich schreien.
    »Was ist passiert, Daddy?« Ich hielt den Atem an.
    »Leigh«, begann er, »ich habe bis jetzt gewartet, dir das zu sagen. Ich wollte es so lange wie möglich für mich behalten, um dir die Traurigkeit bis zum letzten Moment zu ersparen.«
    »Traurigkeit?« Meine Hände legten sich auf meinen Hals, und ich saß vollkommen still da und wartete, daß er weiterreden würde. Ich hörte mein Herz klopfen und spürte das sanfte Schaukeln des Dampfers im Wasser. Um uns herum waren die Gäste und die Mannschaft bei ihren Vorbereitungen für den letzten Morgen an Bord zu hören – Leute unterhielten sich laut und aufgeregt auf dem Weg zum Frühstück, Gepäckträger nahmen Anweisungen entgegen, Türen wurden geschlossen, Kinder lachten und rannten durch die Gänge. Um uns herum herrschten Aufregung und Tumult, und dadurch wurde das Schweigen, das zwischen uns herrschte, nur um so beunruhigender. Ich spürte, wie das Blut in meinen Adern vor Kälte stockte, und ich war nicht mehr aus Fleisch und Blut, sondern eine steife Eisprinzessin.
    »Du erinnerst dich sicher noch an dieses kurze Gespräch, das wir beide miteinander geführt haben, kurz nachdem deine Mutter uns in Jamaika verlassen hat. Damals habe ich dir doch gesagt, sie wolle sich in Ruhe ein paar Gedanken machen.«
    »Ja?« Meine Stimme klang so zaghaft, so ängstlich.
    »Ich habe dir gesagt, daß sie enttäuscht von mir ist, enttäuscht davon, wie sich die Dinge zwischen uns entwickelt haben.« Er schluckte schwer. Ich nickte, weil ich ihn dazu bringen wollte, weiterzureden. »Nun, vor ein paar Tagen hat mich an Bord ein Telegramm erreicht, Leigh. Es kam von deiner Mutter, und sie hat mir mitgeteilt, daß sie sich für eine ihrer Möglichkeiten entschieden hat.«
    »Was für Möglichkeiten? Was hat sie getan?« brachte ich gequält heraus.
    »Sie ist von Miami nach Mexiko geflogen, und nicht nach Boston, und dort hat sie die Scheidung eingereicht«, sagte er so eilig, wie ein Arzt einem Patienten eine schlechte Nachricht beigebracht hätte.
    Seine Worte hingen in der Luft, als seien sie dort zu Eis erstarrt. Mein Herz flatterte unter meiner Brust und trommelte dann rasend gegen meine Rippen.
    »Eine Scheidung?« Es war ein anrüchiges, bedrohliches Wort. Ich hatte über die Scheidungen von Filmstars und anderen Künstlern gelesen. Bei ihnen schien das der normale Lauf der Dinge zu sein, fast etwas, was man von Anfang an erwartete; aber ich hatte keine Freundinnen, deren Eltern geschieden waren, und Mitschülerinnen mit geschiedenen Eltern

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