Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
Tür zu. »Gehen wir wieder zur Party. Sonst verpassen wir den Kuchen.«
Ich warf noch einen Blick auf die Berge von Geschenken, ehe ich mit ihm in den Ballsaal zurückging.
Ein spezieller Tisch wurde in die Mitte des Saals gerollt. Darauf stand eine turmhohe Hochzeitstorte, auf der unter den Worten H ERZLICHE G LÜCKWÜNSCHE die Figuren der Braut und des Bräutigams tanzten. Mama und Tony wurden zu der Torte geführt, um sie anzuschneiden, wie es Sitte war. Mama schnitt behutsam das erste Stück heraus und fütterte Tony damit, der verzweifelt versuchte, eine gewisse Würde zu wahren, als Mama ihm das riesengroße Tortenstück in den Mund stopfte, doch der sahnige Tortenguß rann über sein Kinn und auf seine Smokingjacke. Alle jubelten und lachten. Ich wollte mich zu Großmama Jana setzen, um mit ihr Torte zu essen, doch plötzlich packte mich Mama am Arm.
»Es ist gut gelaufen, nicht wahr?« Sie sah sich stolz um. »Die Leute werden dieses Fest nie vergessen. Sie werden bis in alle Ewigkeit darüber reden. Wie geht es deiner Großmutter?« fragte sie und warf einen Blick auf Großmama Jana, die in ein Gespräch mit einer anderen Frau in ihrem Alter vertieft war.
»Sie scheint sich sehr wohl zu fühlen.«
»Ich werde ruhiger schlafen, wenn sie erst wieder in Texas ist. Wer weiß, was sie diesen Leuten erzählt.« Ich fragte mich, ob Mama fürchtete, Großmama Jana würde mir die Wahrheit über ihre Vergangenheit verraten. Sie wandte sich zu mir um. »Was ist?«
»Nichts, Mama.«
»Du siehst traurig aus. Wie kann jemand bei einem solchen Fest traurig aussehen?« Sie sah mich an und seufzte. »Du machst dir immer noch alle möglichen Sorgen, stimmt’s? Du schlägst wohl unfreiwillig deinem Vater nach, fürchte ich.« Ich zuckte unwillkürlich zusammen. Sie konnte doch unmöglich derart offenkundige Lügen von sich geben. Vielleicht lag es daran, daß sie es schon so lange tat, dachte ich. Aber wie konnte ich das, was ich wußte, für mich behalten? »Komm mit«, sagte sie plötzlich.
»Was?«
»Komm einfach mit. Schnell. Ich möchte dir etwas zeigen.« Sie nahm mich an der Hand und führte mich aus dem Ballsaal. Wir stiegen eilig die Treppe hinauf.
»Wohin gehen wir?«
»In meine Suite.« Als wir angekommen waren, trat sie vor ihren Wandtresor. »Den habe ich mir für meinen Schmuck einbauen lassen«, erklärte sie, »und für meine Dokumente.«
»Dokumente?«
Sie lächelte nur weiterhin wie ein Kobold und öffnete ihren Safe.
Dann griff sie hinein und zog einen Ordner heraus, der sehr wichtig aussah. Darin lagen drei Seiten Papier, die aneinander geheftet waren. Sie reichte sie mir, und ich las die Überschrift: »Voreheliche Vereinbarung.«
»Was ist das?« fragte ich.
»Es ist ein Vertrag zwischen Tony und mir«, sagte sie stolz. »Ich habe ihn von meinem Anwalt vorbereiten lassen.«
»Ein Vertrag?«
»Ja. Falls wir uns jemals scheiden lassen sollten«, sagte sie und deutete auf ein paar Worte im zweiten Absatz auf der ersten Seite, »dann bekomme ich die Hälfte von allem, was er hat. Die Hälfte!« wiederholte sie. »Die Hälfte von all dem!« Sie breitete die Arme aus. »Da kannst du es selbst lesen.« Sie deutete auf die Papiere in meinen Händen. Ich sah auf sie hinunter, doch die Worte blieben mir unverständlich, und das lag nicht nur daran, daß ich den vielen »Wohingegens« und »Bezüglichs« nicht folgen konnte, sondern es hatte mehr damit zu tun, daß es mich zu sehr schockierte, zu erfahren, daß die Liebe zwischen Mama und Tony in juristischen Begriffen niedergeschrieben war wie ein Kaufvertrag für ein Haus.
»Ich verstehe das nicht, Mama. Wozu brauchst du das?«
»Als Absicherung«, erklärte sie und nahm mir die Papiere wieder ab. Meine verwirrte Reaktion gefiel ihr offensichtlich gar nicht. Sie legte die Papiere wieder in den Tresor. »Ich würde keinem Mann auf Erden trauen. Absolut keinem. Ich dachte, soviel hätte ich dir bereits beigebracht.«
»Aber liebst du Tony denn nicht?«
»Natürlich liebe ich ihn. Was hat denn das damit zu tun?«
»Aber wenn du ihn liebst, warum brauchst du dann so einen Vertrag?« Ich war immer noch verwirrt.
»Also wirklich, Leigh. Für eine Schülerin mit ausgezeichneten Noten stellst du dich manchmal schon sehr dumm an. Ich habe es dir doch gesagt… trau nie einem Mann, ganz gleich, unter welchen Umständen. Ich liebe Tony, und er liebt mich, aber das heißt noch nicht, daß er nicht irgendwann später etwas tun könnte, was mir nicht
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