Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
paßt, oder daß er es nicht so hinstellen könnte, als hätte ich angeblich etwas getan, was ihm nicht paßt. Das hier ist eine Absicherung«, sagte sie und deutete auf den Tresor. »Er weiß, daß er mich nicht einfach vor die Tür setzen kann, ohne die Hälfte von allem zu verlieren, was er besitzt, und das hilft einem dabei, einen Mann fest in der Hand zu haben. Ich wollte dir das zeigen, damit du dir weniger Gedanken um die Zukunft machst. Du wirst jetzt alles haben, Leigh. Du brauchst dir um nichts mehr Sorgen zu machen.«
»Aber war Tony nicht außer sich, als du das von ihm wolltest?«
»O doch, aber er liebt mich so sehr, daß er jegliche Bedenken, die er hatte, einfach beiseite geschoben hat«, sagte sie stolz. »Und eben deshalb liebe ich ihn – weil ich für ihn das Wichtigste im Leben bin. Hast du verstanden?«
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte geglaubt, daß Liebe Vertrauen bedeutete. War man wirklich verliebt, wenn man Anwälte und Richter brauchte, die einem über die Schulter sahen?
»Da du jetzt alles weißt, kannst du dich endlich auch freuen«, meinte sie. »Komm schon. Wir müssen wieder zu dem Empfang gehen. Ich habe den Hausangestellten die Anweisung gegeben, jetzt die Tatterton-Souvenirs auszuteilen, und ich will die Gesichter der Gäste sehen, wenn jedem eines ausgehändigt wird.
Und jetzt freu dich, Leigh. Bitte. Wirf wenigstens für diesen einen Tag einmal die finsteren Gedanken ab, und freu dich für mich.«
»Ich freue mich für dich, Mama.« Sie hauchte mir einen flüchtigen Kuß auf die Wange, und dann eilten wir die Treppe hinunter. Ich war bestürzt über Mamas Enthüllung. War denn nur in Märchenbüchern alles gut und wahr und ohne Trug?
Großmama Jana brach gegen Ende des Empfangs auf. Sie hatte es eilig, wieder nach Texas zu kommen, obwohl sie hier von allen wie eine Königin behandelt wurde. Tony hatte alles arrangiert, damit Miles sie zum Flughafen fuhr. Ich begleitete sie zu der bereitstehenden Limousine, da Mama vollauf damit beschäftigt war, sich in aller Form von den Gästen zu verabschieden.
»Auf Wiedersehen, Großmama«, sagte ich. »Ich wünsche dir eine gute Heimreise.«
Sie stand da und starrte mich versonnen an, und dann drückte sie mich so fest an sich, daß mir fast die Luft wegblieb. Sie sah mich an, und dann wurden ihre Augen schmaler und härter. Einen Moment lang glaubte ich, sie würde mir alles erzählen, einfach mit der Wahrheit herausplatzen, mir Mamas zahllose scheußliche Lügen enthüllen und mir erklären, warum sie außer sich gewesen war, als sie von Mamas Scheidung und ihrer Wiedervermählung erfahren hatte, doch dann wurden ihre Augen wieder freundlicher, und ihr Griff auf meinen Schultern löste sich.
»Ich hoffe, du wirst hier glücklich werden, Leigh, aber wenn es dir aus irgendwelchen Gründen schlecht geht, dann denk daran, daß du zu mir kommen kannst. Ich kann dir bei weitem nicht diesen Luxus bieten, aber es läßt sich recht behaglich bei mir leben«, sagte sie, und es klang so gar nicht, als sei sie die Menschenfresserin, als die Mama sie so oft hinstellte. Wieviel von dem Rest, den Mama mir über ihre Jahre in Texas erzählt hatte, mochte wirklich wahr sein?
»Danke, Großmama.«
Sie gab mir noch einen Kuß und stieg in die Limousine. Ich sah ihr nach, als sie abfuhr, und dann ging ich wieder ins Haus. Bald darauf begannen die Gäste zu gehen.
Ich hörte, daß Mama meinen Namen rief, und ich sah Tony und sie gemeinsam die Treppe herunterkommen. Mamas Absätze klapperten auf den Marmorstufen. Wie weltgewandt und selbstbewußt sie wirkte, als sie Arm in Arm mit Tony auf mich zukam. Sie trug ihr schwarzes Wollkreppkostüm mit den Nerzbesätzen am Kragen und auf den Ärmeln. Unter ihrer Jacke schaute eine glitzernde weiße Chiffonbluse heraus. Gegen diese dunklen Farben setzte sich Mamas Gesicht großartig ab. Sie schien ein Diamant zu sein, der auf einem Hintergrund aus schwarzem Samt funkelte.
Tony trug eine schwarze Lederjacke und einen leuchtendweißen Schal. Wie Mama sah auch er so frisch und munter aus. Ich konnte mir vorstelle, daß sie beide noch von dem aufregenden Tag aufgekratzt waren und auch von den Ereignissen, die ihnen noch bevorstanden. Sie wirkten beide so jung und lebhaft und so unwahrscheinlich glücklich miteinander.
»Ist es zu glauben, daß es vorbei ist?« fragte Mama. »Du siehst hier Mr. und Mrs. Tony Tatterton vor dir. Was für ein Anblick sind wir, Leigh?« Sie schmiegte
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