Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
sich dicht an Tony.
»Ein wunderbarer Anblick«, sagte ich mit der lebhaftesten Stimme, die ich aufbieten konnte, aber das stellte Mama nicht zufrieden. Ihr Lächeln verblaßte.
»Wir reisen jetzt ab. Du hast alles, was du brauchst, und du weißt alles, was du wissen mußt. Ich wünschte, ich könnte am Weihnachtsmorgen bei dir sein, wenn du deine Geschenke auspackst, aber ich weiß, daß du mich verstehst.«
»Versuch zu verhindern, daß Troy seine Geschenke schon vor Weihnachten auspackt«, sagte Mamas gutaussehender frischgebackener Ehemann, dessen Blicke mir ständig zu folgen schienen und dessen Lächeln so spöttisch und vielsagend war.
»Du hast ihm versprochen, daß er die Hochzeitsgeschenke auspacken darf«, erinnerte ich Tony und riß meinen Blick von ihm los.
»Das wollen wir tun, wenn wir aus den Flitterwochen zurückkommen«, stöhnte Mama. »Er wird eben damit warten müssen.«
»Ach, ich wüßte nicht, was es schaden könnte, wenn er schon ein paar Päckchen auspackt«, ließ sich Tony erweichen. »Sorg nur dafür, daß er nicht alles durcheinanderbringt.«
»Das tut er ganz bestimmt, so klein, wie er noch ist«, klagte Mama. »Aber ich will im Moment an nichts denken, was auch nur im entferntesten unangenehm sein könnte. Auf Wiedersehen, Leigh, mein Schatz.« Sie umarmte mich, und trotz all der Wut, die sich in mir aufgestaut hatte, erwiderte ich ihre Umarmung mit einer Heftigkeit, die sie wohl überraschte. Urplötzlich wollte ich nicht, daß sie fortfuhr, denn in meinem tiefsten Inneren brauchte ich sie jetzt.
»Ich wünsche dir ein schönes Weihnachten und Neujahr in deinem neuen Zuhause. Sieh dich um«, sagte Tony. »Wenn du das Haus erkundest, wirst du so lange brauchen, bis unsere Flitterwochen um sind.«
»Aber bitte… geh nicht in den Irrgarten«, warnte mich Mama.
»Einverstanden, Mama. Ich wünsche euch viel Spaß«, brachte ich erstickt heraus.
»Darf ich meiner Stieftochter einen Abschiedskuß geben?« fragte Tony. »Auf Wiedersehen, Leigh. Bis bald.« Mit seinen langen Armen zog er mich an sich, und selbst durch das Leder fühlten sie sich stark und muskulös an. Er küßte mich auf die Wange, aber nicht weit von meinem Mundwinkel. Mama schien zu bemerken, wie lange er mich im Arm hielt und wie zart und liebevoll er mich küßte. Dann hängte sie sich bei ihm ein, und sie gingen. Curtis öffnete ihnen die großen Flügeltüren und schloß sie dann hinter ihnen.
Ich hörte die Stimmen einiger Hausangestellter und anderer Bediensteter aus dem Ballsaal hallen, als sie aufräumten. Türen wurden geschlossen, und plötzlich senkte sich eine immense Stille über die riesige Eingangshalle. Ich sah mich um. Es war, als seien die Geister aller früheren Tattertons wieder in ihren Porträts verschwunden, um dort ewig zu ruhen. Das plötzliche Schweigen wurde ohrenbetäubend. Ich sah aus einem der Fenster und beobachtete, wie die Weihnachtsbeleuchtung angeschaltet wurde. Die Wiesen, die Hecken und die Bäume loderten in rotem, grünem und blauem Schein auf. Es war, als sei ein Regenbogen zersprungen, und seine Splitter seien über ganz Farthinggale heruntergefallen.
Mrs. Hastings kam nach unten und sagte mir, daß Troy tief und fest schlief. Sie ging wieder, um sich den anderen Angestellten anzuschließen, die jetzt vermutlich ein eigenes Fest feierten und sich in der Küche über die Reste hermachten.
Ich ging ins Musikzimmer, in dem Tony den drei Meter hohen Weihnachtsbaum hatte aufstellen und schmücken lassen. Seine Lichter waren eingeschaltet worden, und mit dem gläsernen Engel, der auf der Spitze leuchtete, sah der Baum sehr hübsch aus. Um ihn herum stapelten sich Geschenke. In dem marmornem Kamin brannte ein Feuer. Der Raum wirkte, als sei er für eine Familie gedacht, die jederzeit erwartet wurde.
Aber wo war diese Familie, und wer hatte all das vorbereitet? Es war fast, als hätte das Haus ein Eigenleben, als erwachte jeder einzelne Raum zum Leben, wenn es an der Zeit war.
Ich lachte. Ich kam mir plötzlich so albern vor. Ob wohl auch am Heiligabend immer ein künstlicher Weihnachtsmann durch diesen Kamin gerutscht kam? Curtis mußte in der Nähe gewesen sein und mein Lachen gehört haben, denn er tauchte plötzlich in der Tür auf, und auf sein Gesicht trat ein verwirrter Ausdruck, als er sah, daß ich allein war.
»Kann ich irgend etwas für Sie tun, Miß Leigh?« Ja, hätte ich gern gesagt. Holen Sie mir meinen Daddy und meine Mama. Holen Sie mir das Glück zurück,
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