Catch 22
sanftesten Mittel.
Schicken Sie ihn für ein paar Tage nach Rom. Vielleicht hat der Tod seines Freundes ihn wirklich etwas mitgenommen.«
In der Tat hätte Natelys Tod beinahe auch Yossariáns Ende bedeutet, denn als er Natelys Hure in Rom die traurige Nachricht überbrachte, stieß sie einen schrillen, herzzerbrechenden Schrei aus und versuchte, Yossarián mit dem Kartoffelmesser zu erstechen.
»Bruto!« heulte sie außer sich vor Wut, als er ihr den Arm auf den Rücken bog und so lange drehte, bis der Kartoffelschäler ihren Fingern entfiel. »Bruto! Bruto!« Sie fuhr ihm blitzschnell mit ihren langen Fingernägeln ins Gesicht und zerkratzte ihm die Wange. Dann spuckte sie ihn an.
»Was ist eigentlich los?« rief er schmerzgepeinigt und verwirrt und schleuderte sie quer durch das Zimmer gegen die Wand.
»Was habe ich dir denn getan?«
Sie stürzte sich mit wirbelnden Fäusten auf ihn und schlug ihm mit einem kräftigen Schwinger den Mund blutig, ehe er ihre Handgelenke zu packen bekam und sie festhielt. Die Haare standen ihr zu Berge, und Tränen entströmten ihren funkelnden, haßerfüllten Augen, während sie tollwütig, fluchend und geifernd auf ihn losging. Jeden Versuch, ihr zu erklären, was vorgefallen war, schrie sie mit ihrem »Bruto! Bruto!« nieder wie eine Irre. Er hatte ihre Kraft unterschätzt und verlor den Halt.
Sie war beinahe so groß wie Yossarián, und einige schreckerfüllte Augenblicke lang glaubte er fest, sie werde ihn mit der ihr vom Wahnsinn verliehenen Kraft überwältigen, zu Boden werfen und erbarmungslos in Stücke reißen, eines grauenhaften Verbrechens wegen, das er nie begangen hatte. Er wollte um Hilfe schreien, während sie stöhnend und keuchend miteinander rangen. Endlich ermattete sie, und es gelang ihm, sie wegzudrängen. Er flehte sie an, ihm zuzuhören, schwor ihr, daß er nicht an Natelys Tod schuld sei. Wieder spuckte sie ihm ins Gesicht, und angeekelt, zornig und ratlos stieß er sie von sich. Kaum hatte er sie losgelassen, da langte sie schon nach dem Kartoffelmesser. Er stürzte hinterher, und sie rollten auf dem Fußboden umeinander, ehe er ihr das Messer entreißen konnte. Sie versuchte, ihn mit den Händen zu Fall zu bringen, als er aufsprang, und riß ihm eine tiefe Schramme in den Unterschenkel. Von Schmerzen gepeinigt, hüpfte er durchs Zimmer und warf das Messer zum Fenster hinaus. Als er sich sicher wähnte, seufzte er erleichtert.
»Nun laß mich mal etwas erklären«, bat er ernst und appellierte an ihre Vernunft.
Sie trat ihm in den Unterleib. Schschsch! Die Luft ging ihm aus, er sank aufheulend zu Boden und blieb, nach Atem ringend und zusammengekrümmt, liegen. Natelys Hure rannte aus dem Zimmer. Yossarián gelang es, auf die Füße zu kommen und keinen Augenblick zu früh, denn schon kehrte sie im Laufschritt aus der Küche zurück, ein langes Brotmesser in der Hand. Ein Stöhnen ungläubiger Verzweiflung löste sich von seinen Lippen, als er sich, immer noch die Hände auf den pochenden, geschundenen Leib gepreßt, mit seinem ganzen Gewicht gegen ihre Schienbeine warf und sie zu Fall brachte. Sie flog über seinen Kopf weg und landete mit einem markerschütternden Knall auf den Ellenbogen.
Das Messer sauste klirrend zur Seite, und er beförderte es mit einem Tritt unter das Bett. Sie wollte sich hinterdrein werfen, doch packte er sie am Arm und riß sie hoch. Wieder versuchte sie, ihm in den Unterleib zu treten, und er schleuderte sie fluchend von sich. Sie prallte gegen die Wand und schmetterte dabei einen Stuhl mitten auf den Toilettentisch, von dem Kämme, Bürsten und Schminktöpfchen krachend zu Boden fielen. Auch eine gerahmte Photographie am anderen Ende des Zimmers fiel von der Wand, und das Glas zerbrach klirrend.
»Was hast du nur gegen mich?« schrie er aufgebracht und verständnislos. »Ich habe ihn nicht umgebracht!«
Sie warf einen schweren, gläsernen Aschenbecher nach seinem Kopf. Als sie dann von neuem auf ihn losging, ballte er eine Hand zur Faust und hatte Lust, sie ihr in den Magen zu stoßen; er fürchtete aber, ihr Schaden zuzufügen. Er wollte ihr haarscharf eins auf die Kinnspitze versetzen und dann aus dem Zimmer laufen, aber er sah sie nicht deutlich genug, und so konnte er nur im letzten Augenblick zur Seite springen und ihr mit einem kräftigen Schubs an sich vorbei helfen. Sie knallte gegen die Wand. Gleich darauf blockierte sie die Tür und schleuderte eine schwere Vase nach ihm. Dann fiel sie mit einer vollen
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