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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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Snowden immer wieder klagte, ihm sei so kalt, so kalt, und Yossarián erinnerte sich, daß er nichts weiter hatte antworten können als: »Nun, nun.« Diese Erinnerung erfüllte ihn mit einer Trauer, die ihm weh tat. »Ach, bitte«, wiederholte er mitfühlend, »bitte, bitte.«
    Sie lehnte sich gegen ihn und weinte, bis sie zu schwach schien, um noch länger zu weinen, und sie sah ihn erst an, als er ihr schließlich sein Taschentuch hinhielt. Sie wischte sich die Wangen und lächelte höflich dabei, reichte das Taschentuch mit einem gemurmelten »Grazie, grazie« und voll schüchterner, mädchenhafter Sittsamkeit zurück, dann aber, ohne jede Warnung, änderte sich ihre Stimmung, und sie fuhr ihm wieder mit den Fingernägeln in die Augen.
    »Ha! Assassino!« heulte sie und rannte triumphierend nach dem Brotmesser, um ihn vollends zu erledigen.
    Halb erblindet stolperte er hinter ihr her. Ein Geräusch in seinem Rücken ließ ihn herumwirbeln. Von Entsetzen erfüllt, wich er vor dem Anblick zurück, der sich ihm bot. Da stand Schwesterchen, ebenfalls mit einem Brotmesser in der Hand.
    Ihm graute. »Oh, nein!« jammerte er und schlug ihr das Messer aus der Hand. Jetzt hatte er mit diesem ganzen unverständlichen und lächerlichen Handgemenge jede Geduld verloren. Es ließ sich nicht voraussehen, wer als nächster durch die Tür kommen und mit einem Brotmesser auf ihn losgehen würde, und er hob Schwesterchen vom Fußboden auf, warf sie Natelys Hure entgegen, rannte aus der Wohnung und die Treppe hinunter. Beide Mädchen folgten ihm auf den Korridor, und während er die Treppe hinunter floh, hörte er ihre Schritte leiser und leiser werden.
    Dann vernahm er unmittelbar über sich ein Schluchzen, und als er nach oben sah, erspähte er Natelys Hure, die ganz zusammengefallen auf einer Stufe saß, den Kopf in beide Hände stützte und weinte, während sich ihre heidnische, unzähmbare Schwester gefährlich weit über das Geländer beugte, ihm strahlend »Bruto, Bruto!« zurief und das Brotmesser gegen ihn schwenkte, als sei es ein aufregendes neues Spielzeug, das zu benutzen sie große Lust verspürte.
    Yossarián entwich, doch sah er sich immer wieder ängstlich um, während er durch die Straßen flüchtete. Die Passanten starrten ihn neugierig an, was ihn noch ängstlicher machte. Er ging nervös und eilig immer weiter und fragte sich, was an seinem Aussehen wohl die Aufmerksamkeit der Leute erregen mochte. Als er eine schmerzende Stelle auf seiner Stirne berührte, zog er die Finger klebrig von Blut zurück und begriff. Er tupfte sich Gesicht und Hals mit seinem Taschentuch ab, und das Taschentuch rötete sich immer mehr. Er blutete also überall. Er eilte in das Gebäude des Roten Kreuzes, die Treppen hinunter in den weiß gekachelten Waschraum, wo er unzählige Wunden mit kaltem Wasser und Seife reinigte und kühlte, eher er seinen Kragen richtete und sich die Haare kämmte. Nie hatte er ein Gesicht gesehen, das so zerschrammt und voller Kratzer war wie das, das ihn immer noch benommen und verstört aus dem Spiegel anstarrte. Was hatte sie nur von ihm gewollt?
    Als er den Waschraum verließ, hatte Natelys Hure ihm bereits einen Hinterhalt gelegt. Sie kauerte im Treppenhaus, dicht an der Wand, und stürzte sich wie ein Habicht auf ihn, ein glitzerndes, silbernes Steakmesser in der Faust. Er fing ihre zustoßende Hand mit erhobenem Ellenbogen ab und knallte ihr säuberlich eins auf den Kiefer. Sie verdrehte die Augen. Er fing sie auf, als sie fiel, setzte sie sanft hin und rannte dann die Treppe hinauf und auf die Straße. Während der nächsten drei Stunden suchte er die Stadt nach Hungry Joe ab, weil er aus Rom verschwinden wollte, ehe sie ihn von neuem aufspürte. Er fühlte sich erst sicher, als die Maschine gestartet war. Als sie in Pianosa landeten, stand Natelys Hure als Mechaniker verkleidet in grünem Overall mit dem Fleischmesser in der Hand genau dort, wo die Maschine ausrollte, und er wurde nur dadurch gerettet, daß sie ihre hochhackigen Pumps mit den Ledersohlen trug: als sie zustach, verloren ihre Füße auf dem Schotter den Halt. Der verblüffte Yossarián hob sie ins Flugzeug und hielt sie in einem Doppelnelson auf dem Fußboden fest, so daß sie sich nicht rühren konnte, während Hungry Joe vom Kontrollturm die Erlaubnis erbat, nach Rom zurückzufliegen. Auf dem Flugplatz in Rom stieß Yossarián sie aus der noch rollenden Maschine, und Hungry Joe startete sofort wieder nach Pianosa. Als er mit

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