Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
Vom Netzwerk:
hartnäckigem Widerspruch bereit. Dabei wußte er selbstverständlich, daß es sich so verhielt, daß es nur logisch und richtig war: wieder einmal war der alte Mann auf seilen der Mehrheit marschiert.
    Yossarián wandte sich ab, schlenderte mit gerunzelter Stirn und düsterer Miene durch die Wohnung und spähte mit pessimistischer Neugier in alle Zimmer. Alles, was Glas war, hatten die Männer mit den Knüppeln zerbrochen. Zerrissene Vorhänge und Bettücher lagen über den Fußboden verstreut. Stühle, Tische und Kommoden waren umgeworfen. Alles Zerbrechliche war zerbrochen. Die Zerstörung war total. Vandalen hätten nicht gründlicher hausen können. Jedes Fenster war zertrümmert, und durch die geborstenen Scheiben sickerte die Dunkelheit wie eine tintige Wolke in die Zimmer. Yossarián konnte mühelos die schweren, stampfenden Schritte der baumlangen MPs in den weißen Helmen hören. Er vermochte sich auch die unbändige, bösartige Lustigkeit vorzustellen, in die ihr Zerstörungswerk sie versetzt hatte, und dazu das scheinheilige, brutale Bewußtsein, im Recht zu sein und eine Pflicht zu erfüllen. Alle die armen jungen Mädchen waren fort bis auf die weinende alte Frau in den unförmigen braunen und grauen Pullovern und dem schwarzen Kopftuch, und bald würde auch sie fortgehen.
    »Weg«, jammerte sie, als er zurückkam, und ehe er den Mund aufmachen konnte. »Wer wird nun für mich sorgen?«
    Yossarián überhörte die Frage. »Hat man irgend etwas von Natelys Freundin gehört?«
    »Weg.«
    »Ich weiß, daß sie weg ist. Aber hat jemand was von ihr gehört? Weiß jemand wo sie ist?«
    »Weg.«
    »Und Schwesterchen? Was ist ihr geschehen?«
    »Weg.« Die alte Frau sprach stets im gleichen Ton.
    »Verstehen Sie überhaupt, wovon ich rede?« fragte Yossarián scharf und sah sie prüfend an, um festzustellen, ob sie nicht aus einer Art Betäubung zu ihm spreche. Er hob die Stimme. »Was ist mit ihrer Schwester passiert, mit dem kleinen Mädchen?«
    »Weg, weg«, erwiderte die alte Frau und zuckte sauertöpfisch die Achseln. Seine Hartnäckigkeit hatte sie gereizt, und ihr Jammergeheul wurde jetzt lauter. »Zusammen mit den übrigen weggejagt, auf die Straße geworfen. Sie haben ihr nicht mal erlaubt, den Mantel mitzunehmen.«
    »Wohin ist sie gegangen?«
    »Weiß ich nicht, weiß ich nicht.«
    »Wer sorgt jetzt für sie?«
    »Wer sorgt jetzt für mich?«
    »Sie kennt doch niemanden hier.«
    »Wer sorgt jetzt für mich?«
    Yossarián ließ Geld bei der alten Frau zurück - seltsam, wieviel Unrecht man auf diese Weise gutmachen zu können schien - und verließ die Wohnung. Während er die Treppe hinunterging, verfluchte er IKS inständig, obwohl er wußte, daß es etwas Derartiges gar nicht gab. Es gab IKS nicht, dessen war er gewiß, doch änderte das nichts. Entscheidend war, daß alle an das Vorhandensein von IKS glaubten, und das eben war das Schlimme, daß man weder ein Ding noch einen Wortlaut lächerlich machen, widerlegen, anklagen, tadeln, angreifen, abändern, verabscheuen, verfluchen, anspucken, in Fetzen reißen, zertrampeln oder verbrennen konnte.
    Draußen war es kalt und dunkel, die Luft angefüllt von tropfendem, fadem, quellendem Nebel, der an den Fronten der steinernen Wohnblocks und den Sockeln der Denkmäler herabrann.
    Yossarián kehrte hastig zu Milo zurück und widerrief. Er bereue alles. Wissentlich lügend versprach er, so viele Feindflüge zu machen, wie Colonel Cathcart nur wünsche, wenn Milo seinen ganzen Einfluß in Rom aufbieten wolle, um ihm bei der Suche nach der kleinen Schwester von Natelys Hure behilflich zu sein.
    »Sie ist ein zwölf Jahre altes Jüngferchen, Milo«, erklärte er drängend, »und ich will sie finden, ehe es zu spät ist.«
    Milo beantwortete dieses Ersuchen mit einem wohlwollenden Lächeln. »Ich habe genau die zwölfjährige Jungfrau an der Hand, die du suchst«, verkündete er frohlockend. »Diese zwölfjährige Jungfrau ist in Wirklichkeit erst vierunddreißig, wurde aber von sehr strenggläubigen Eltern unter Einhaltung einer proteinarmen Diät erzogen und hat erst angefangen, mit Männern zu schlafen, als ...«
    »Milo, ich spreche von einem kleinen Mädchen!« unterbrach Yossarián mit verzweifelter Ungeduld. »Begreifst du nicht? Ich will nicht mit ihr schlafen. Ich will ihr helfen. Du hast doch selber Töchter. Sie ist ein blutjunges Ding und ganz allein in der Stadt. Niemand nimmt sich hier ihrer an. Ich will dafür sorgen, daß ihr nichts zustößt.

Weitere Kostenlose Bücher