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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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doch beide sehr nett zu Yossarián gewesen, sagte Milo. Oder hätten sie ihn etwa nach dem letzten Angriff auf Ferrara nicht befördert und ausgezeichnet? Yossarián nickte. Verpflegten sie ihn nicht regelmäßig, und zahlten sie ihm nicht jeden Monat seine Löhnung? Yossarián nickte wieder. Milo zweifelte nicht daran, daß sie ihn liebevoll aufnähmen, falls er sich entschuldige, widerriefe und verspräche, achtzig Einsätze zu fliegen. Yossarián sagte, er wolle es bedenken. Er hielt die Luft an und betete um eine sichere Landung, als Milo das Fahrgestell ausfuhr und zur Landung ansetzte. Merkwürdig, er verabscheute das Fliegen wirklich.
    Als die Maschine gelandet war, sah er, daß Rom in Trümmern lag. Der Flugplatz war acht Monate zuvor bombardiert worden, und kantige Massen weißer Steintrümmer waren mit Planierraupen rechts und links vom Eingang, entlang dem Zaun, der den Platz einfaßte, zu abgeflachten Halden aufgehäuft. Das Kolosseum war ein bröckelndes Gerippe, und der Triumphbogen des Konstantin war eingestürzt. Die Wohnung von Natelys Hure war ein Tohuwabohu. Die Mädchen waren nicht mehr da, nur die alte Frau war noch anwesend. Alle Fenster der Wohnung waren zertrümmert. Die alte Frau war in Pullover und Röcke eingehüllt und hatte sich ein dunkles Tuch um den Kopf gewunden.
    Sie saß auf einem Holzstuhl, neben einer elektrischen Kochplatte, hatte die Arme vor der Brust gefaltet und kochte in einem zerbeulten Aluminiumtopf Wasser. Als Yossarián hereinkam, sprach sie mit sich selber und begann bei seinem Anblick sogleich zu stöhnen.
    »Weg«, stöhnte sie, noch ehe er fragen konnte. Sie umklammerte ihre Ellenbogen und wiegte sich trauernd auf dem quietschenden Stuhl hin und her. »Weg.«
    »Wer?«
    »Alle. All die armen jungen Mädchen.«
    »Wohin?«
    »Weg. Einfach auf die Straße gejagt. Alle sind fort. All die armen jungen Mädchen.«
    »Von wem weggejagt? Wer hat das getan?«
    »Die bösen großen Soldaten mit den weißen Helmen und Knüppeln. Und unsere carabinieri. Sie kamen mit ihren Knüppeln und jagten sie einfach weg. Nicht einmal ihre Mäntel durften sie anziehen, die armen Dinger. Man hat sie einfach in die Kälte hinausgejagt.«
    »Hat man sie verhaftet?«
    »Weggejagt. Nur weggejagt.«
    »Warum weggejagt, wenn man sie nicht verhaftet hat?«
    »Weiß ich nicht«, schluchzte die alte Frau. »Ich weiß nicht. Wer sorgt jetzt für mich? Wer sorgt jetzt für mich, nachdem all die armen jungen Mädchen fort sind? Wer sorgt für mich?«
    »Es muß doch aber einen Grund gegeben haben«, beharrte Yossarián und schlug mit der Faust in die Hand. »Sie können doch hier nicht einfach hereinkommen und alle Bewohner hinausjagen.«
    »Es gibt keinen Grund«, jammerte die alte Frau. »Keinen Grund.«
    »Mit welchem Recht haben sie es denn getan?«
    »IKS.«
    »Was?« Yossarián erstarrte vor Angst und fühlte eine Gänsehaut über seinen ganzen Körper laufen. »Was sagen Sie da?«
    »IKS«, wiederholte die alte Frau und nickte unablässig mit dem Kopf. »IKS. Laut IKS haben sie das Recht, alles zu tun, woran wir sie nicht hindern können.«
    »Wovon reden Sie, zum Kuckuck?« schrie Yossarián wütend und, ratlos. »Woher wissen Sie, daß es IKS war? Wer zum Teufel hat Ihnen was von IKS gesagt?«
    »Die Soldaten mit den weißen Helmen und Knüppeln. Die Mädchen weinten. >Haben wir etwas verbrochen?< sagten sie. Die Männer sagten nein und stießen sie mit ihren Knüppeln zur Tür.
    >Warum jagt ihr uns dann hinaus?< fragten die Mädchen. >IKS<, sagten die Männer. »Wer gibt euch das Recht dazu?< fragten die Mädchen. >IKS<, sagten die Männer. Sie sagten nichts weiter als >IKS, IKS<. Was bedeutet das denn, IKS? Was ist IKS?«
    »Haben sie es denn nicht gezeigt?« forschte Yossarián und stapfte wütend und bekümmert hin und her. »Habt ihr es euch nicht wenigstens vorlesen lassen?«
    »Sie brauchten uns IKS nicht zu zeigen«, sagte die alte Frau.
    »Die Vorschrift besagt, daß sie das nicht brauchen.«
    »Welche Vorschrift sagt, daß sie es nicht brauchen?«
    »IKS.«
    »Oh, zum Teufel!« rief Yossarián erbittert. »Ich möchte wetten, daß IKS in Wirklichkeit gar nicht da war.« Er blieb stehen und sah sich betrübt im Zimmer um. »Wo ist der alte Mann?«
    »Weg«, jammerte die alte Frau.
    »Weg?«
    »Tot«, sagte die alte Frau, nickte kummervoll und deutete auf ihren Kopf. »Irgendwas hat knacks gemacht, und gleich darauf war er tot.«
    »Aber er kann nicht tot sein!« schrie Yossarián, zu

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