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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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ängstlich und jammernd zurück. »Wer sagt, daß wir aussteigen? Wer spricht da überhaupt? Wer spricht da?«
    »Hier spricht Yossarián in der Kanzel, Yossarián in der Kanzel.
    Ich hörte dich sagen, es sei etwas nicht in Ordnung. Sagtest du nicht, es sei was nicht in Ordnung?«
    »Ich dachte, du hättest gesagt, es sei etwas nicht in Ordnung. Es sieht aber alles ganz normal aus. Jawohl, es ist alles in Ordnung.«
    Yossarián sank das Herz. Wenn alles in Ordnung war und man keinen Vorwand hatte umzukehren, dann stimmte etwas ganz und gar nicht. Er zögerte nachdenklich.
    »Ich kann dich nicht hören«, sagte er.
    »Ich sagte, es ist alles in Ordnung.«
    Die Sonne lag blendend weiß auf dem porzellanblauen Wasser und den glitzernden Umrissen der anderen Maschinen. Yossarián packte die bunten Kabel, die zur Steckdose der Bordverständigung führten, und riß sie los.
    »Ich höre immer noch nichts«, sagte er.
    Er hörte wirklich nichts mehr. Nachdenklich sammelte er die Kartentasche und seine drei Flakanzüge ein und kroch nach hinten in die Maschine. Als er sich hinter Kid Sampson aufrichtete, erblickte ihn Nately im Sessel des Kopiloten aus den Augenwinkeln. Er lächelte Yossarián bleich an und sah in dem unförmigen Gefängnis aus Kopfhörern, Heini, Kehlkopfmikrofon, Flakanzug und Fallschirm zerbrechlich, ungewöhnlich jung und schüchtern aus. Yossarián neigte sich nahe an Kid Sampsons Ohr.
    »Ich kann dich nicht hören«, rief er in das gleichmäßige Dröhnen der Motoren.
    Kid Sampson sah sich überrascht nach ihm um. Kid Sampson hatte ein eckiges, lustiges Gesicht mit stark gewölbten Augenbrauen und einem dünnen blonden Schnurrbart.
    »Was?« brüllte er über die Schulter.
    »Ich kann dich nicht hören«, wiederholte Yossarián.
    »Du mußt lauter sprechen«, sagte Kid Sampson. »Ich kann dich nicht hören.«
    »Ich kann dich immer noch nicht hören!« brüllte Yossarián.
    »Da kann ich nichts machen«, schrie Kid Sampson zurück, »ich brülle so laut ich kann.«
    »Ich höre nichts über die Bordverständigung«, bellte Yossarián in steigender Hilflosigkeit. »Du mußt umdrehen.«
    »Wegen einer defekten Bordverständigung?« fragte Kid Sampson ungläubig.
    »Dreh um«, sagte Yossarián, »ehe ich dir den Hals breche.«
    Kid Sampson sah hilfesuchend zu Nately, der aber betont unbeteiligt zur Seite blickte. Yossarián hatte den höheren Dienstgrad.
    Kid Sampson schwankte einen Augenblick, ergab sich dann jedoch freudig und stimmte ein sieghaftes Geheul an.
    »Das ist mir sehr lieb«, verkündete er freudestrahlend und pfiff grell mehrmals von unten in seinen Schnurrbart.
    »Jawohl, Freunde, das ist dem alten Kid Sampson sehr, sehr recht.« Er pfiff noch einmal und rief dann über die Bordverständigung: »Nun hört mal alle zu, meine Hühnchen. Hier spricht Admiral Kid Sampson. Hier quäkt Admiral Kid Sampson, der Stolz der ungarischen Husaren. Wir drehen um, Freunde, jawohl, wir drehen um!«
    Nately streifte sich Helm und Kopfhörer mit jubelndem Schwung ab, und begann, auf seinem Sessel hin und her zu rutschen, wie ein hübscher Knabe auf seinem Kinderstühlchen. Sergeant Knight kam aus dem oberen MG-Turm herunter gepoltert und klopfte allen ganz außer sich vor Begeisterung auf den Rücken. Kid Sampson löste sich mit einem weitausholenden, eleganten Bogen aus der Formation und steuerte wieder den Flugplatz an. Als Yossarián den Stecker der Bordverständigung in eine Ersatzdose stieß, hörte er die beiden MG-Schützen im Heck zweistimmig >La Cucaracha< singen.
    Nach der Landung verflüchtigte sich die Munterkeit im Handumdrehen. An ihre Stelle trat bedrückte Stille, und Yossarián war recht nüchtern und befangen, als er aus der Maschine stieg, um in dem Jeep Platz zu nehmen, der bereits wartete. Keiner von ihnen sprach während der Rückfahrt durch die schwere, lähmende Stille, die Berge, Meer und Wald bedeckte. Auch als sie von der Straße in den Staffelbereich einbogen, verflüchtigte sich das Gefühl der Trostlosigkeit nicht. Yossarián stieg als Letzter aus. Eine Minute später waren Yossarián und ein sanfter, warmer Wind das einzige, was sich in der gespenstischen Stille rührte, die schläfrig über den leeren Zelten hing. Der Platz lag leblos, verlassen von allen Menschen, ausgenommen Doc Daneeka, der leidend wie ein frierender Hühnerhabicht neben dem geschlossenen Eingang des Krankenzeltes kauerte und die verstopfte Nase gierig, aber vergeblich in das verschleierte Sonnenlicht

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