CATCH - Stunden der Angst: Thriller (German Edition)
in die Herrentoilette und schloss sich in einer Kabine ein. Mit dem Aktenkoffer auf den Knien setzte er sich auf den Deckel und klebte sich mit Mastixgummi einen gepflegten Schnurrbart aus echtem Menschenhaar an. Dazu setzte er die Brille auf und überlegte noch einen Moment, ob er falsche Zähne einsetzen sollte, beschloss dann aber, dass das zu viel des Guten wäre.
Er schlenderte die North Street hinunter und traf pünktlich um zehn am Immobilienbüro ein. Beide Autos standen noch da, und es war noch eine etwas bescheidenere Peugeot-Limousine dazugekommen. Als er auf der Höhe des Erdgeschossfensters ankam, sah Stemper einen Mann auf einer Schreibtischkante hocken. Doch er war Mitte vierzig, mit schütteren blonden Haaren und mächtigem Bierbauch. Sicherlich keiner der beiden Männer aus dem Pub.
Nachdem er die Mietangebote im Fenster studiert hatte, ging Stemper hinein. Der Mann telefonierte mit einem Handy, seine Körperhaltung ließ vermuten, dass er nicht lange bleiben würde. Teresa Scott telefonierte ebenfalls und massierte dabei ihre Wange, als ob sie sich von dem Gespräch ablenken wollte.
Blieb noch die Asiatin. Sie stand auf, als er näher trat, und schenkte ihm ein knappes, professionelles Lächeln.
»Guten Morgen. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich habe eine Beförderung in Aussicht, und wenn ich den Posten bekomme, müsste ich für mindestens sechs Monate nach Sussex ziehen. Deswegen wollte ich mich einmal schlaumachen, was ich für mein Geld hier in der Gegend so mieten könnte – oder vielmehr für das Geld meines Arbeitgebers.« Er lachte, sie stimmte ein, und er dachte: Ich bin drin.
Und er blieb drin – fast eine Stunde lang, dank seines gründlichen und systematischen Studiums sämtlicher verfügbarer Immobilien, die seinen Bedingungen entsprachen: mindestens vier Zimmer, maximale Monatsmiete viertausend. Die Asiatin, die sich als Indira vorgestellt hatte, drückte angesichts der Summe, um die es ging, lediglich höfliche Bewunderung aus, doch von da an nahm die Zahl der Blickkontakte deutlich zu, und ihr Lächeln war viel strahlender als zuvor.
Er nannte ihr einen falschen Namen und eine falsche Adresse, doch die E-Mail-Adresse und die Handynummer gab es wirklich. Sie versprach, ihn jeweils unverzüglich zu informieren, wenn neue Vermietungsangebote hereinkämen.
»Das ist sehr nett von Ihnen.« Er sah sich demonstrativ um. Der blonde Mann war längst gegangen, und Teresa Scott hatte in der Zwischenzeit noch mehrere Telefonate geführt. »Ich bin froh, dass ich Ihre Agentur entdeckt habe. Haben Sie noch andere Geschäftsstellen?«
»Nein, wir sind eine kleine, inhabergeführte Agentur.«
»Und halten sich in der Krise über Wasser, wie ich erfreut feststelle.«
»Nun ja, wir müssen schon kämpfen, aber unser Vorteil ist, dass wir einen sehr guten Ruf haben, und Brighton ist nach wie vor sehr beliebt, wie Sussex überhaupt.«
»Ja, Sie haben ja offensichtlich viel zu tun. Ist es ein großes Team?«
»Oh, wir sind …« Sie schloss die Augen, während sie nachzählte. »… insgesamt sechs – nein, sieben. Es ist ein Familienbetrieb.«
»Tatsächlich?«
Indira deutete mit einem dezenten Nicken auf Scott. »Teresa ist die Inhaberin. Sie hat mit einer Bauträgerfirma angefangen, und daraus hat sich dann die Vermietungsagentur entwickelt.«
»Und ihre Kinder arbeiten auch hier?«
»Ihr Sohn, ja. Ihre Tochter ist Anwältin. Manchmal engagieren wir ihre Kanzlei in Rechtsangelegenheiten.«
»Nun ja, warum nicht? Gut zu wissen, dass manche kleine Unternehmen noch mit diesen gesichtslosen Konzernriesen mithalten können.«
»Ganz richtig«, sagte sie. »Und für wen arbeiten Sie eigentlich?«
»Für einen gesichtslosen Konzernriesen, fürchte ich.«
Das wurde mit pflichtschuldigem Lachen quittiert, das jäh abbrach, als Teresa Scott den Hörer auf die Gabel knallte und murmelte: »Idiot.« Sie sah sofort in ihre Richtung und zog schuldbewusst die Stirn in Falten, doch Stemper tat so, als habe er es nicht gehört.
Als er das Büro verließ, stellte er fest, dass er mehrere entgangene Anrufe von Jerry hatte. Stemper beschloss, seinen Aktenkoffer ins Auto zu legen und dann noch ein paar Stunden in der Nähe von Compton zu bleiben.
Er wusste jetzt, dass die Inhaberin einen Sohn hatte. Wenn man noch den BMW dazunahm, war das schon recht vielversprechend. Aber warum fuhr Indira den BMW ?
Jerry war wieder mal ganz aufgeregt, als er sich meldete. »Hier ist heute einiges los, und es
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