Cato 04 - Die Brüder des Adlers
Calleva? Er schalt sich selbst. Die Kohorten waren aufgerieben. Zwischen den Durotriges und den Atrebates standen jetzt nur noch die Hand voll Legionäre, die das römische Lager bewachten, und Vericas Leibwächter. Sobald der Feind das bemerkte, war Calleva ihm ausgeliefert. Cato musste sich dorthin durchschlagen und die Überlebenden in dem Versuch um sich sammeln, die Stadt zu retten. Dann dachte er an Macro und Tincommius. War einer der beiden zurückgekehrt? Oder lagen sie irgendwo da draußen tot im hohen Gras? Futter für die Aasvögel, die schon jetzt in der Vormittagssonne ihre Kreise zogen.
Cato, der vorsichtig um eine Flussschleife bog, stieß auf einen umgestürzten Baum, der vor Jahren von einem Sturm entwurzelt worden war. Die Wurzeln hatten viel Erdreich mit nach oben gerissen, und unter dem toten Gewirr hatten Dachse sich einen Bau gegraben. Cato drückte sich in den schmalen Eingang und stocherte mit dem Schwert eilig die Erde über seinem Kopf los. Erdklumpen purzelten auf die Vertiefung, füllten sie allmählich und begruben den Zenturio unter einer flachen Erdschicht. Sobald irgendjemand das verschlungene Wurzelwerk genauer untersuchte, würde man ihn finden, aber ein besseres Versteck gab es nicht. Er lag bewegungslos da, beobachtete den Fluss durch den kleinen Schlitz, den er für die Augen gelassen hatte, und wartete darauf, dass der lange, heiße Tag zu Ende ging.
27
Cato fuhr erschreckt aus dem Schlaf hoch und schüttelte dabei die Erde ab, die er über sich geschichtet hatte. Es war dunkel und dicht, und bei seinem Gesicht hörte er Geschnüffel. Als der Zenturio sich rührte, stieß das Tier einen schrillen Laut aus und huschte davon. Gleich darauf war Cato hellwach und erinnerte sich an alles, was am Tag geschehen war. Wütend auf sich selbst, weil er eingeschlafen war, lag er bewegungslos da und lauschte angestrengt, ob irgendjemand sich näherte, doch das einzige Geräusch, das er hören konnte, war das Plätschern des Wassers im flachen Kieselbett. Durch das tote Wurzelgeflecht hindurch erblickte er ein paar Sterne, die durch silbrige Wolkenschleier schimmerten. Cato tastete nach seinem Schwert und schob dann vorsichtig die Erde von sich. Er verharrte einen Moment, um sich zu vergewissern, ob er Aufmerksamkeit erregt hatte, und kroch dann aus dem Eingang des Dachsbaus. Tief geduckt schlich er das Ufer hinauf und spähte durch das Gras der Böschung. Zur Unkenntlichkeit verschwommen breitete sich die Landschaft zu allen Seiten aus, und nur hier und da zeichneten sich deutlich sichtbar die Silhouetten einiger Bäume ab.
Doch dort, kaum eine Meile entfernt, lag Calleva. Einige Abschnitte der Befestigungsanlage waren von brennenden Reisigbündeln beleuchtet, die die Verteidiger vor die Wälle der Stadt geworfen hatten, damit sich von dort keine Feinde anschlichen. Unter Catos Blicken wurden weitere lodernde Bündel mit Heugabeln über die Wälle gehievt. Dann flog das brennende Reisig in hohem Bogen durch die Luft und traf in einem Funkenregen auf dem Boden auf.
Im Schein mehrerer kleiner Feuer im Umkreis des Haupttors sah man einen Teil der Angreifer. Hin und wieder stieg ein Brandpfeil in die Luft, flog im eleganten Bogen über den Verteidigungswall und verschwand zwischen den Hütten. An manchen Stellen ließ ein düsterer, roter Widerschein erkennen, wo schon einige kleinere Brände ausgebrochen waren.
Die Lage wirkte verzweifelt und Cato überlegte einen Moment lang, was er zu tun hatte. Die Zweite Legion war mindestens zwei Tagesmärsche entfernt. Vielleicht zu weit, um rechtzeitig zur Rettung Callevas und des Nachschublagers einzutreffen. Einen Tagesmarsch entfernt in entgegengesetzter Richtung war eine Infanteriekohorte zur Bewachung einer Furt stationiert, aber diese war nicht groß genug, um etwas Entscheidendes auszurichten. Da es überall von Durotriges wimmelte, würde der Zenturio sich außerdem sehr vorsichtig bewegen müssen, was die Zeit bis zum Eintreffen von Hilfe ohne weiteres verdoppeln könnte.
Cato wurde klar, dass er keine Wahl hatte. Er musste eine Möglichkeit finden, nach Calleva hineinzukommen, um dort die Verteidigung der atrebatischen Hauptstadt mitzuorganisieren. Sollte Macro gefallen sein, wäre Cato der Kommandant der Überlebenden der beiden Kohorten. Falls auch Tincommius tot war, wären die Atrebates angesichts des schwer verwundeten Verica so gut wie führungslos. Cato musste so schnell wie möglich in die Stadt zurückkehren!
Tief geduckt und
Weitere Kostenlose Bücher