Cato 04 - Die Brüder des Adlers
bieten. Daher beachtete er sie nicht, als er mit Mandrax zur letzten Verteidigungsstellung zurückrannte. Wenn sie das Lager erreichten, würden sie sich dem Feind so lange wie möglich entgegenstellen und dann sterben.
Cato war überrascht, wie gelassen er die Aussicht auf seinen bevorstehenden Tod hinnahm. Er hatte Schlimmeres befürchtet. Seine schlimmste Vorstellung war gewesen, dass die Angst ihn am Ende gänzlich lähmen würde. Doch im Moment hatte Cato keine andere Sorge, als Tincommius und die Durotriges so lange wie möglich aufzuhalten.
Die schmale Gasse öffnete sich plötzlich zu einer breiteren Straße, die Cato als den Verbindungsweg zwischen Haupttor und königlicher Umfriedung erkannte. Mehrere Männer seiner Kohorte rannten vorbei, und er und Mandrax schlossen sich ihnen an. Ein Stück weiter zweigte eine Straße zum Nachschublager ab, und sie bogen ein und sahen Ströme von Legionären und eingeborenen Verbündeten, die ebenfalls zum Depot eilten. Nahezu alle trugen noch Schild und Waffen, wie Cato stolz feststellte. Dies hier mochte vielleicht wie eine wilde Flucht aussehen, war aber in Wirklichkeit ein geordneter Rückzug, und nach ihrer Ankunft im Lager würden die Männer bereit sein, es noch einmal mit dem Feind aufzunehmen. Cato stieß nun auch auf die letzten vom Haupttor Callevas zurückeilenden Legionäre.
»Hat jemand Macro gesehen?«, rief Cato laut. Einer der Legionäre wandte sich zu ihm um und Cato zeigte auf ihn. »Du da! Wo ist Macro?«
»Weiß nicht, Herr. Als ich ihn zum letzten Mal sah, hat er mit ein paar Männern das Tor verteidigt.«
»Ihr habt ihn da zurückgelassen?«
»Er hat es uns befohlen!«, erwiderte der Legionär verärgert. »Sagte, er würde nachkommen, Herr.«
»Gut … Geh jetzt rein und stell dich mit den anderen auf.«
Cato blickte die Straße hinunter, die zum Haupttor führte. Hundert Schritt entfernt bogen zwei Gestalten um eine Hütte und rannten auf Cato zu. Figulus, der größer und drahtiger war, hatte einen kleinen Vorsprung vor Macro, der mit seinen kräftigen, muskulösen Beinen heftig arbeitete, um Schritt zu halten. Gleich darauf erreichten sie Cato und schnappten nach Luft.
»Alles in Ordnung?«, fragte Cato.
Macro blickte heftig atmend auf. Sein Gesicht war rußgeschwärzt und die Härchen auf Armen und Beinen versengt. Der scharfe Geruch verbrannten Haars hing noch immer an ihm und Cato verzog das Gesicht.
»Du solltest mal den anderen Kerl sehen … «, meinte Macro kichernd und brach dann in raues Gelächter aus. Er krümmte sich einen Moment lang und blickte sich, sobald der Hustenanfall vorüber war, nach Figulus um.
»Hätte fast vergessen … Du hast einen Strafdienst vor dir, Herzchen. Verweigere noch einmal einen Befehl, und ich lasse dich auspeitschen.«
»Jawohl, Herr. Ich wollte nur …«
Hinter dem Tor des römischen Lagers war ein Tumult ferner Stimmen zu hören.
Irgendetwas lief schief. Der Eingang des Lagers war mit Männern verstopft, die durchs Tor auf die Straße hinausdrängten, und die beiden gegenläufigen Menschenströme blockierten sich in einem hoffnungslosen Durcheinander. Aus dem Gedränge stiegen Schreie der Wut und Verzweiflung auf.
Cato drängte sich vor. »Ruhe! Ruhe da!«, brüllte er. Die meisten schwiegen nun und die Gesichter wandten sich ihm zu.
»Was ist los? Jemand soll Bericht erstatten!«
»Sie sind drinnen!«, schrie jemand. »Die Drecksäcke sind ins Lager eingedrungen!«
Über die Köpfe der dicht gedrängten Menschenmasse hinweg, die das Tor versperrte, blickte Cato am Verwaltungstrakt vorbei auf den Getreidespeicher im hinteren Bereich des Lagers. Jenseits davon kletterten Schwärme von Durotriges über den Verteidigungswall herein. Mehrere Leichen in roten Tuniken lagen neben der Palisade, und eine Hand voll weiterer Legionäre, die sich dem Einfall entgegenstellte, wurde gerade niedergemacht. Die Verteidiger gehörten ursprünglich zu den nicht kämpfenden Truppenteilen, und die Ängstlicheren unter ihnen hatten bereits die Waffen weggeworfen und flohen quer durchs Lager zum Ausgang, um der johlenden Menge feindlicher Krieger zu entkommen, die über den Exerzierplatz ausschwärmten und auf die verbliebenen Verteidiger am Tor zustürmten.
33
»Wenn ihr wisst, was gut für euch ist, lasst ihr mich sofort zum Legaten.« Der Fremde starrte den Optio, der von zwei Legionären flankiert wurde, wütend an. Die drei sahen aus wie jene abgehärteten Veteranen, denen selbst der
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