Cato 04 - Die Brüder des Adlers
ihren ganzen Verteidigungsvorbereitungen. Als die aufgebrachten Legionäre dann endlich das Tor durchbrachen und ins Innere der Festung stürzten, hatten sie im Zorn alles niedergemetzelt. Männer, Frauen und Kinder – alle waren erschlagen worden.
Vespasian hielt das für eine schreckliche Verschwendung. Das nächste Mal würde er darauf bestehen, möglichst viele Gefangene zu machen. In Rom, wo unter Bürgern, die mehr Geld als Geschmack besaßen, zur Zeit barbarischer Schick en vogue war, erzielte man für einen gesunden Kelten Spitzenpreise. Vespasians Beuteanteil würde ihm ein kleines Vermögen einbringen. Und ebenso seinen Männern, wenn sie ihren Blutdurst nur lange genug zügeln konnten, um zu merken, wie vergänglich das Vergnügen an Vergewaltigung und Plünderung war, während der Gewinn aus dem Sklavenhandel eine willkommene Ergänzung zu ihren Pensionsgeldern darstellen könnte. Wenn die Legion die nächste Hügelfestung einnahm, würde er den Zenturionen Befehl geben lassen, ihre Männer zurückzuhalten. Eine weitere Verschwendung wertvoller Menschenleben, seien es nun Römer oder Briten, würde es nicht geben.
Nur die Schafe, Rinder und ein paar Schweine hatten den römischen Angriff überlebt. Das Vieh wurde jetzt den Hügel hinunter zum Lager getrieben. Die Tiere würden ihre ehemaligen Besitzer nicht lange überleben, denn die Legionäre freuten sich auf das inzwischen so seltene, frisch gebratene Fleisch. Vespasian war froh über diese Ergänzung der Nahrungsvorräte. Doch bald würde die Legion eine Kette weit größerer Festungen angreifen und dann hing Vespasian wieder von stetigen Nachschublieferungen aus dem Depot in Calleva ab.
Das war derzeit sein drängendstes Problem. Da Caratacus die Nachschublinien der Legion immer wieder mit schnellen, beweglichen Truppen überfiel, würden Vespasians Truppen vielleicht gezwungen sein, sich von dem zu ernähren, was das Land ihnen bot. Schlimmer noch, die Materialverluste wären nicht mehr auszugleichen, und Waffen oder Ausrüstungsgegenstände, die in der Schlacht oder durch normalen Verschleiß unbrauchbar wurden, könnten nicht mehr ersetzt werden. Alles hing davon ab, dass König Verica und die Atrebates ihre Seite des Vertrags mit Rom einhielten und ein sicheres Passieren der Nachschubkolonnen garantierten. Die beiden Kohorten, die jetzt in Calleva aufgestellt wurden, würden dieses Problem vielleicht kleiner machen und Vespasian einen Teil seiner Sorgen von den Schultern nehmen. Bei Zenturio Macro wusste der Legat diese Aufgabe in guten Händen – und übrigens auch bei Zenturio Cato.
Bei der Erinnerung daran, wie er den jungen Mann vor einigen Monaten von seiner Beförderung unterrichtet hatte, lächelte Vespasian. Cato hatte im Lazarett des Nachschublagers Calleva im Bett gelegen und kaum die Tränen des Stolzes zurückblinzeln können. Er war ein äußerst viel versprechender Soldat und hatte die Hochschätzung des Legaten immer wieder gerechtfertigt. Es würde interessant sein, den jungen Mann dabei zu beobachten, wie er mit den Anforderungen seines neuen Rangs zurechtkam. Cato war noch nicht einmal zwanzig Jahre alt, und wenn er wieder zur Zweiten Legion stieß, würde er zum ersten Mal das Kommando über die achtzig Mann einer Zenturie erhalten; damit hatte er dann eine der herausforderndsten Aufgaben vor sich, die das Leben in der Legion bereithielt.
Vespasian erinnerte sich deutlich an die schmerzliche Befangenheit, mit der er sich vor vierzehn Jahren nach seiner Ernennung zum Tribun dem ersten ihm unterstellten kleinen Patrouillentrupp vorgestellt hatte. Die grimmigen Veteranen hatten sich seine Rede kommentarlos angehört, aber aus ihrer Verachtung für seine Unerfahrenheit keinen Hehl gemacht. Erfahrung besaß Cato wenigstens, und das würde sein Selbstvertrauen stärken. In seiner kurzen Dienstzeit unter dem Adler hatte Cato schon mehr Kämpfe erlebt als so mancher Legionär in seinem ganzen Leben. Zudem hatte der junge Mann das Glück gehabt, von Zenturio Macro ins Armeeleben eingeführt zu werden. Macro war so robust und zuverlässig wie Cato intelligent und einfallsreich; die beiden ergänzten einander gut.
Der Legat war sich sicher, dass die beiden Zenturionen Vericas Männer gut ausbilden würden. Doch er wünschte sich, sie wieder bei sich in der Zweiten Legion zu haben. Wenn die beiden Offiziere sich vollständig von ihren Wunden erholt hatten und die Nachschublinien sicher waren, würde er sie sofort nachkommen lassen.
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