Cato 04 - Die Brüder des Adlers
Daumen, während sie mit aufgerissenen Augen auf einen Kopf starrte, den einer von Catos Leuten den Zuschauern triumphierend entgegenreckte. Wieder schrie sie auf und versuchte mit einem plötzlichen Satz, die blutverklebten Haare zu packen. Der Krieger hob den Kopf so hoch, dass sie ihn nicht mehr erreichen konnte, und lachte. Die Frau zerrte jammernd an seinem Arm, bis er sie mit der freien Hand zu Boden stieß. Dort brach sie in ein Schluchzen aus, das tief aus ihrem Inneren aufstieg, umklammerte zitternd den Saum der Tunika des Kriegers und flehte ihn an.
»Worum geht es da?«, fragte Cato.
Wie alle anderen hatte auch Tincommius die Konfrontation beobachtet. »Anscheinend ist es das Haupt ihres Sohnes. Sie möchte es bestatten.«
»Und der Krieger möchte es als Trophäe?« Cato schüttelte traurig den Kopf. »Das ist hart.«
»Nein«, schimpfte Tincommius. »Es ist entehrend. Hier, halt das mal.«
Er drückte Cato die Keilerstandarte in die Hand und trat zwischen die Frau und den Krieger, der noch immer den abgeschnittenen Kopf hochhielt. Tincommius zerrte den Arm des Mannes nach unten und redete wütend auf ihn ein, wobei er immer wieder auf die Frau deutete. Der Krieger verbarg das Haupt hinter seinem Rücken und antwortete nicht weniger wütend und empört. Unterdessen scharten sich die Leute um die Streitenden und unterstützten den Krieger mit Zurufen, obgleich einige, wie Cato bemerkte, still blieben und sich damit unausgesprochen auf Tincommius’ Seite stellten. Der atrebatische Prinz war nicht in der Stimmung, irgendeinen Mangel an Respekt vor seinem Rang zu dulden, und schlug dem Krieger unvermittelt die Faust ins Gesicht. Die Umstehenden wichen zurück, als der Krieger nach hinten taumelte und Tincommius ihn noch einmal kräftig in den Bauch trat, um einem Gegenangriff vorzubeugen. Während der Mann noch um Luft rang und seinen Angreifer mit offenem Mund wild anstarrte, löste Tincommius gelassen seine Finger aus dem verkrusteten Haar des abgeschnittenen Hauptes und hielt ihn der Frau behutsam hin. Die rührte sich einen Moment lang nicht und griff dann mit schmerzverzerrtem Gesicht nach dem, was von ihrem Sohn übrig geblieben war. Ohne ihren Kummer zu beachten, schrien fast alle Zuschauer wütend auf Tincommius ein.
»GENUG!«, brüllte Cato, zog sein Schwert und hob die Standarte hoch über den Kopf, um sich Beachtung zu verschaffen. »RUHE!«
Der Geschrei verstummte und die Beteiligten sahen Cato feindselig an, wütend über seine Einmischung, fürchteten aber die Römer zu sehr, um ihn mit Widerspruch herauszufordern. Cato ließ die Augen über die Umstehenden wandern und mahnte sie mit seinem energischen Blick zur Ruhe, bevor er seine Aufmerksamkeit der am Boden sitzenden Frau zuwandte, die das Haupt in ihrem Schoß wiegte und die kalten Wangen streichelte.
Beim Anblick der Frau empfand Cato ihren herzzerreißenden Schmerz qualvoll mit. Dann schluckte er, riss sich zusammen und blickte wieder zur Menge auf. Er musste diese Menschen zufriedenstellen und ihnen um des römischen Bündnisses mit den Atrebates willen geben, was sie wollten, wie sehr es ihm auch widerstreben mochte.
»Tincommius!«
»Zenturio?«
»Gib diesem Krieger das Haupt zurück.«
Tincommius runzelte die Stirn. »Was? Was hast du gesagt? «
»Gib dem Mann das Haupt zurück. Es ist seine Trophäe. «
Tincommius deutete mit dem Finger auf die Frau. »Es ist ihr Sohn.«
»Nicht mehr. Tu, was ich dir sage.«
»Nein.«
»Ich befehle es«, erklärte Cato ruhig und trat so nah an Tincommius heran, dass ihre Gesichter nur noch zwei Handbreit voneinander entfernt waren. »Ich befehle es dir – sofort.«
Einen Moment lang las Cato in den frappierend blauen Augen die Entschlossenheit, ihm die Stirn zu bieten. Dann aber atmete Tincommius tief durch, wandte den Blick ab und sah in die Gesichter der Umstehenden. Er nickte langsam und sagte: »Wie du befiehlst, Zenturio Cato.«
Der atrebatische Prinz kehrte sich zu der Frau um, redete ihr freundlich zu und streckte die Hand aus. Sie sah ihn entsetzt an, noch immer die Wangen ihres Sohnes streichelnd, und schüttelte dann den Kopf »Na!«
Tincommius hockte sich neben sie, sprach weiter leise auf sie ein, deutete mit einem Kopfnicken auf Cato und löste ihre Hände von dem Kopf. Sie sah den Zenturio mit einem Blick eiskalten, fanatischen Hasses an, doch dann merkte sie, dass der Kopf ihr aus den Händen genommen wurde. Mit einem Schrei wollte sie ihn wieder packen, doch
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