Cedars Hollow (German Edition)
Worte.
Die anderen
I ch verlor jegliches Zeitgefühl, während Corvus mich in seinen A r men hielt. Ich hatte vergessen, wie gut es war, von jemandem festg e halten zu werden. Es gab mir ein Gefühl von Geborgenheit, das ich zuletzt in den Armen meiner Mutter empfunden hatte.
Natürlich fehlte sie mir immer noch so sehr, dass es kaum ausz u halten war, aber in diesem Moment, in Corvus’ Armen, fiel ein Druck, eine Last von mir ab. Ich wusste, dass meine Mom gewollt hätte, dass es mir gut ging. Und ich wusste mit völliger G e wissheit, dass Corvus derjenige war, der mich retten würde. Mich vielleicht schon gerettet hatte.
„Sie haben die Ermittlungen eingestellt“, flüsterte ich gegen seine Haut.
„Hm?“
„Es gibt nicht genügend Hinweise. Sie wissen nicht, wer meiner Mom das angetan hat. Also stellen sie das Ermittlungsve r fahren ein.“
Sein Atem kitzelte mich, so dass ich eine Gänsehaut bekam. „Das tut mir leid.“
„Das braucht es nicht.“
Eine Weile standen wir stumm da, dann sagte er mit einem Blick in Richtung Tür: „Du solltest jetzt vielleicht besser rei n gehen.“
„Ich will nicht nach Hause.“
Sein Griff lockerte sich, und er schob mich ein wenig von sich weg, um mir in die Augen sehen zu können. „Wieso nicht?“
„Wegen der Stille“, flüsterte ich. Ich verschwieg ihm die Pro b leme mit meinem Dad; mit diesem Thema wollte ich auf keinen Fall anfa n gen, denn ich wusste, dass die Tränen noch immer auf der Lauer lagen.
Corvus schien zu verstehen, was ich meinte, obwohl ich den G e danken nicht ausgesprochen hatte. „Na gut“, sagte er zögerlich. „Wenn du möchtest … ich meine, wenn es dich nicht stört … kannst du mit zu mir kommen.“
Ich spürte, wie sich ein erleichtertes Lächeln auf meine Lippen schlich. „Danke.“
Er legte mir eine kühle Hand auf die Wange. „Ich wünschte, ich könnte mehr tun.“
Dabei hatte er doch schon so viel getan.
„Lass uns gehen.“ Sanft nahm er meine Hand und löste sich aus meiner fast schon klammernden Umarmung.
Er hielt noch immer meine Hand, während wir schweigend nebe n einander hergingen. Es machte mich irgendwie nervös, nicht zu wi s sen, was er dachte. Ich wünschte, er hätte mich eingelassen, um einen Blick auf das zu werfen, was in ihm vo r ging.
„Warum hast du Damon geschickt, um nach mir zu sehen?“, fragte ich schließlich.
Corvus schien nicht darüber sprechen zu wollen. „Ich dachte, es wäre eine gute Idee, wenn er sich als Schüler an eurer Schule ausg e ben würde.“
„Ja, aber das ist nicht nötig. Ich komm schon klar.“
Corvus’ Augenbrauen wanderten nach oben, und er lächelte. „Bist du sicher?“
„Absolut.“ Ich bemühte mich, nicht wie ein trotziges Kind zu kli n gen.
„Na schön.“ Mein Verhalten schien ihn zu amüsieren. „Das ist de i ne Entscheidung.“
Ich seufzte erleichtert. „Danke.“
„Du hast doch nichts dagegen, wenn ich nach dir sehe?“
Es war kaum zu fassen, dass diese paar Worte mich in Hochsti m mung versetzten. In meinem Bauch rumorte es, als hätten meine Eingeweide sich miteinander verknotet. Ich fühlte mich schwach und gleichzeitig zu allem fähig.
„Das ist was anderes“, murmelte ich verlegen.
„Freut mich, dass du das so siehst.“ Corvus lächelte immer noch. Ich konnte mich nicht erinnern, ihn je in so guter Sti m mung erlebt zu haben.
Wir bogen in die Apple Tree Lane ein und erreichten Corvus’ Wohnung. Drinnen war es dunkel wie immer, denn die Fenster waren nach wie vor mit Brettern vernagelt. Ein paar nackte Glühbirnen beleuchteten die Zimmer nur dürftig. Trotzdem fühlte ich mich hier viel wohler als zu Hause, aber das hatte wenig mit der Wohnung selbst, sondern hauptsächlich mit Corvus’ Anwesenheit zu tun.
„Hast du Hunger?“, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf, was ihm ein Stirnrunzeln entlockte. „Bist du sicher?“
„Ganz sicher.“
Er sah mich noch immer skeptisch an. Vielleicht vermutete er ja, ich könnte versuchen, mich zu Tode zu hungern.
„Ich werde nachher etwas essen“, sagte ich in dem Versuch, ihn damit zu beruhigen.
Wieder überkam mich ein drückendes Gefühl von Müdigkeit. Mein Körper fühlte sich so schwer an wie Blei. Corvus strich mir eine ve r irrte Haarsträhne aus der Stirn und lächelte. Ich konnte jede einzelne seiner dunklen Wimpern und die Härchen seiner Augenbrauen von nahem sehen. Für eine Sekunde war ich so benommen, dass ich u m zukippen drohte.
Er hielt
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