Celaenas Geschichte 03 - Throne of Glass
besser.
Sie faltete die Hände im Schoß und betrachtete ihr blutrotes Kleid. Es war nicht annähernd so tief ausgeschnitten wie das von Lysandra, doch mit den schmalen Ärmeln, die kaum die Schultern bedeckten, fühlte sie sich Sams Blicken besonders ausgesetzt. Sie trug ihre Haare gelockt und über eine Schulter gelegt, aber sicher nicht , um die Narbe an ihrem Hals zu verdecken.
Doneval hatte es sich auf seinem Platz bequem gemacht, die Augen auf die Bühne gerichtet. Wie konnte ein Mann, der so gelangweilt und unfähig aussah, nicht nur für das Schicksal mehrerer Menschen, sondern seines ganzen Landes verantwortlich sein? Wie konnte er in diesem Theater sitzen, ohne vor Scham über das, was er seinen Landsleuten und den davon betroffenen Sklaven antun würde, den Kopf hängen zu lassen? Die Männer um Bardingale verabschiedeten sich mit Wangenküssen und machten sich in ihre eigenen Logen auf. Donevals drei Leibwächter beobachteten die Männer ganz genau, als sie gingen. Also keine faulen, gelangweilten Muskelpakete. Celaena runzelte die Stirn.
Dann wurden die Kronleuchter in die Kuppel hinaufgezogen und gelöscht und die Zuschauer verstummten, als das Orchester zu spielen begann. Doneval war in der Dunkelheit kaum zu sehen.
Sams Hand berührte sie leicht an der Schulter und sie erschrak beinahe zu Tode, als er sich vorbeugte und ihr ins Ohr flüsterte: »Dusiehst wunderschön aus. Aber das weißt du bestimmt schon.« Das stimmte allerdings.
Sie drehte den Kopf und sah aus den Augenwinkeln, wie er sich lächelnd im Sessel zurücklehnte.
Sie unterdrückte ein Grinsen und wandte sich wieder der Bühne zu, während die Musik das Publikum einzustimmen begann. Auf eine Welt aus Nebel und Schatten. Eine Welt, die in den dunklen Momenten vor Tagesanbruch von Fabelgestalten und anderen Wesen bevölkert wurde.
Als sich der goldene Vorhang hob, wurde Celaena ruhig und alles, was sie wusste und was sie war, löste sich in Luft auf.
Die Musik ergriff vollkommen Besitz von ihr.
Die Tänzer waren atemberaubend und die Geschichte, die erzählt wurde – das Märchen von einem Prinzen, der seine Braut retten wollte, und einem listigen Vogel, den er einfing, damit er ihm dabei half –, wirklich schön, aber die Musik …
Hatte es jemals etwas Schöneres, so köstlich Quälendes gegeben? Celaena klammerte sich an die Armlehnen, krallte die Finger in den Samt, während die Musik auf das Finale zuraste und sie in einer großen Welle mit sich forttrug.
Jeder Trommelschlag, jeder Flötentriller und jedes Horntuten jagte ihr Schauer über den Rücken und bis in ihr Innerstes. Die Musik stürzte sie in ein Wechselbad der Gefühle: Mal versetzte sie sie in höchsten Aufruhr, dann wieder besänftigte sie sie, nur um sie sogleich erneut aus der Fassung zu bringen.
Und dann der Höhepunkt, die Verbindung all der Klänge, die ihr am besten gefallen hatten, und noch verstärkt, bis sie der Ewigkeit Ausdruck verliehen. Als der letzte Ton verklungen war, rang Celaena nach Luft und Tränen rannen ihr übers Gesicht. Es war ihr egal, ob jemand es sah.
Dann Stille.
Diese Stille war das Schlimmste, was sie je gehört hatte. Diese Stille rückte ihre Umgebung wieder ins Bewusstsein. Als der Applaus losbrach, sprang sie auf und klatschte, immer noch weinend, bis ihr die Hände wehtaten.
»Celaena, ich wusste gar nicht, dass du einen Rest menschliche Gefühle in dir hast«, flüsterte Lysandra, zu ihr gebeugt. »Und so gut fand ich die Aufführung eigentlich nicht.«
Sam packte Lysandras Stuhllehne. »Sei still, Lysandra.«
Arobynn schnalzte warnend mit der Zunge. Celaena klatschte unbeeindruckt weiter, auch wenn Sams Eingreifen ein wohliges Kribbeln in ihr auslöste. Der Beifall hielt noch eine Weile an, der Vorhang hob sich wieder und wieder, die Tänzer verbeugten sich und wurden mit Blumen überhäuft. Celaena klatschte die ganze Zeit, selbst nachdem ihre Tränen getrocknet waren und die Menge bereits nach draußen drängte.
Als ihr Doneval wieder einfiel, war seine Loge leer.
Auch Arobynn, Sam und Lysandra verließen die Loge, lange bevor Celaena aufhörte zu klatschen. Und selbst dann blieb sie noch an der Brüstung stehen, starrte auf den geschlossenen Vorhang und beobachtete, wie die Musiker ihre Instrumente zusammenpackten.
Sie war die Letzte, die das Theater verließ.
Am Abend fand im Unterschlupf der Assassinen wieder eine Party statt – für Lysandra und ihre Madame sowie die Künstler, Philosophen und
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