Cevdet und seine Soehne
hat
behauptet, meine Bilder sagen ihm gar nichts!«
»Worauf du natürlich beleidigt
warst!«
»Ein bisschen schon. Er hat aber
auch gesagt, dass man bei meinen Bildern nicht weiß, ob sie ernst gemeint oder
nur Spott sind!«
»Das passt dir schon eher, was? Da
hältst du dich gleich wieder für Goya! Davon solltest du übrigens auch mal
loskommen!«
»Doch, eine Klugscheißerin bist du
schon!« sagte Ahmet lächelnd.
Auch I1knur lächelte. Aus ihrer Umhängetasche
holte sie ein Zigarettenpäckchen hervor. Sie setzte sich wie gewohnt auf den
Stuhl, von dem aus sie sowohl Ahmet als auch die Bilder sehen konnte, und
zündete sich eine Zigarette an. Dann sah sie sich eine Weile in dem Zimmer um,
gleichsam als Einstimmung auf das erwartete Vergnügen an ihrem Gespräch.
»Na, was hast du so gemacht, seit
wir uns das letztemal gesehen haben? Vor fünf Tagen war das, ja? Was macht
Hasan?«
»Kennst du den überhaupt?«
»So wie die anderen auch, aus deinen
Erzählungen!«
»Fangen wir ganz von vorne an! Am
Montag nachmittag haben wir uns zuletzt gesehen. Am Abend habe ich gearbeitet.
Am Dienstag bin ich zu meinen beiden Französischschülern gegangen, aber da hat
sich nichts Erzählenswertes getan. Am Mittwoch habe ich wieder diesem
Wunderkind Zeichenunterricht gegeben. Mittendrin ist seine Mutter mit ein paar
Gästen hereingekommen, nur zum Zusehen. Da hat das Wunderkind dann unter meiner
Anleitung und unter den neugierigen Blicken dieser Leute Baumblätter ausgemalt,
und zwar nicht einmal über den Rand hinaus, wohlgemerkt!«
İlknur sagte lachend: »Das habe
ich noch nie geschafft, weder bei meinen Malbüchern noch später in der Schule!«
»Sag ich dir nicht immer, dass du
keine Disziplin hast? Aber unterbrich mich bitte nicht: Sie hören weiter
Nachrichten! Am Donnerstag habe ich wieder mit dieser aufgetakelten Frau
französische Konversation betrieben. Dazu hat es kandierte Kastanien gegeben. Zum Abendessen war ich bei Özer.
Während seine Frau gekocht hat, haben wir den Tisch gedeckt und dabei über
Kunst geredet. Aber zuerst hat er über seine Arbeit gejammert und gesagt, wie
sehr er mich beneidet. Du weißt ja, er ist Graphiker in einer Werbeagentur.
Aber gleich danach hat er mich beschuldigt, nur ein verspäteter Nachahmer
klassischer Kunst zu sein. Und dann hat er mir seine Baklavabilder gezeigt.
Hast du die schon mal gesehen? Kubistisch beeinflusst. Alles wird auf
Parallelogramme reduziert. Wahrscheinlich hat er als Kind nicht genug Baklava
gekriegt! Er stammt aus ziemlich armen Verhältnissen. Manchmal frage ich mich,
warum er keine Dorfbilder malt, sondern lauter Baklava –«
»Du hast doch auch mal Dorfbilder
gemalt, oder?«
»Sie hören nun weitere Nachrichten!
Weißt du, worüber ich mit Özer noch geredet habe? Nein, pass auf, ich mach’s
lieber kurz. Ich habe also danach wie jede Nacht bis um fünf Uhr früh
gearbeitet. Gestern habe ich am Nachmittag wieder Unterricht gegeben, und gegen
Abend bin ich zu meiner Oma, der geht es immer schlechter. Und da habe ich Ziya
getroffen, einen Cousin meines Vaters. Der ist schon an die Achtzig, ein
pensionierter Oberst. Von ganz eigenem Schlag. Sein Vater soll mal ein
Revolutionär gewesen sein.«
»Na ja, ein bürgerlicher
Revolutionär«, wandte İlknur ein.
»Gratuliere, sehr beschlagen in
Geschichte und Marxismus!« Er wollte İlknur aber nicht verärgern. »War nur
ein Scherz! Pass auf, das Eigentliche kommt erst! Am Telefon habe ich’s ja
schon angedeutet. Ziya sagt, es wird zu einem Putsch kommen!«
»Mensch, das sagt doch jeder!«
»Er hat es aber schon gesagt, bevor
die Presse davon Wind bekommen hat!«
»Aber Ahmet! Hast du vergessen, wo
wir leben? So ein Gerücht kommt doch alle zwei Monate auf!«
»Du meinst also, darauf ist nichts
zu geben?« Er fühlte sich übertrumpft. Ihm kamen wieder Ziyas Worte und sein
ganzes Auftreten in den Sinn, und erregt stand er auf. »Er hat gesagt: Die
Leibgarde haben wir schon in der Hand! Und dabei hat er so die Hand
aufgehalten, als wäre die ganze Türkei darin enthalten! Warum sollte er so was
einfach ins Blaue hinein sagen? Hm, warum?« Er dachte an Osmans gereizten Zustand, an die Wut
seiner Großmutter. »Ich begreife überhaupt nicht mehr, was in meiner Familie
vorgeht. Apropos: das Heft. Du hast es doch gelesen, ja? Und von meinem Opa
möchte ich ein Porträt machen!«
»Hör mal, du hast sowieso schon
einen Hang zu allem, was zerfällt und vergeht, willst du da wirklich auch noch
in
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