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Chamäleon-Zauber

Titel: Chamäleon-Zauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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durch die Luft trieb, etwa fünfhundert Meter unter ihm. Ein kühler, feuchter Wind blies empor, um ihn zurückzudrängen. Er erzitterte; das war aber ungewöhnlich echt für eine Illusion!
    Er rief: »Hallooo!«
    Fünf Sekunden später hörte er das Echo: »Allooo!«
    Er hob einen kleinen Stein auf und warf ihn in die scheinbare Schlucht. Der Stein verschwand in der Tiefe, und von einem Aufprall war nichts zu hören.
    Schließlich kniete er nieder und stach mit dem Finger in die Luft unterhalb des Felsrands. Er traf auf keinen Widerstand. Er berührte den Rand und spürte, daß er fest war und senkrecht nach unten abfiel.
    Ohne es zu wollen, war er nun davon überzeugt: Die Schlucht war echt.
    Er konnte nichts tun, als um sie herumzugehen. Das bedeutete, daß er nun nicht nur fünf Meilen von seinem Ziel entfernt war, sondern fünfzig – oder vielleicht sogar hundert, je nachdem, wie groß diese erstaunliche Felsspalte sein mochte.
    Sollte er umkehren? Man mußte die Dorfbewohner doch davon benachrichtigen. Andererseits konnte die Schlucht wieder verschwunden sein, sobald er mit jemandem hierher zurückgekehrt war. Dann würde man ihn nicht nur ein zauberloses Wunder nennen, sondern auch noch einen Narren schelten. Was noch schlimmer war: Man würde ihn für einen Feigling halten, der irgendeine Geschichte erfunden hatte, um seine Furcht vor der Reise zu dem Magier zu verbergen – und vor der absoluten Gewißheit, daß er keinerlei Talent besaß. Was magisch geschaffen worden war, das konnte auch wieder magisch beseitigt werden. Also wäre es wohl besser, zu versuchen, um die Schlucht herumzugehen.
    Bink blickte etwas entmutigt zum Himmel hoch. Im Westen stand die Sonne schon tief. Es blieb ihm noch etwa eine Stunde matten Tageslichts. Die würde er wohl besser damit verbringen, sich ein Haus zu suchen, in dem er die Nacht verbringen konnte. Draußen zu schlafen war so ziemlich das letzte, wonach ihm der Sinn stand. Dank Cheries Hilfe war seine Reise bisher ohne größere Beschwerlichkeiten verlaufen, aber dieser notwendige Umweg würde sie wesentlich erschweren.
    In welche Richtung sollte er gehen – nach Osten oder nach Westen? Die Schlucht schien sich nach beiden Seiten endlos zu erstrecken. Aber im Osten war der Boden etwas weniger steinig und fiel sanft ab. Vielleicht wäre es möglich, dort in die Schlucht hinabzusteigen und sie zu durchqueren. Bauern neigten dazu, ihre Anwesen in Tälern zu errichten, wo sie gute Wasservorräte hatten und vor der feindseligen Magie hoher Orte geschützt waren. Er würde nach Osten gehen.
    Aber dieses Gebiet war kaum besiedelt. Er hatte bisher auf seinem Weg noch keinerlei menschliche Siedlungen gesehen. Er schritt immer schneller durch den Wald. Als die Dämmerung einsetzte, sah er, wie sich große schwarze Gestalten aus der Schlucht erhoben: Riesige, ledrige Flügel, grausam gebogene Schnäbel, glitzernde kleine Augen. Wahrscheinlich Raubvögel oder noch Schlimmeres. Er fühlte sich unwohl dabei.
    Jetzt war es notwendig, seine Verpflegung aufzubewahren, denn er wußte nicht, wie lange er damit noch auskommen mußte. Er entdeckte einen Brotfruchtbaum und schnitt sich einen Laib ab. Doch das Brot war noch nicht reif. Wenn er es äße, würde er Magenbeschwerden bekommen. Er mußte einen Bauernhof finden.
    Die Bäume wurden größer und knorriger. In den Schatten wirkten sie bedrohlich. Ein Wind kam auf und brachte die steifen, verbogenen Äste zum Seufzen. Daran war nichts Ominöses; diese Effekte waren nicht einmal magischer Art. Aber Bink merkte, wie sein Herz schneller klopfte, und er blickte ständig über die Schulter zurück. Er befand sich nicht mehr auf dem vorgegebenen Pfad, deshalb war es auch mit seiner vergleichsweisen Sicherheit vorbei. Er war auf dem Weg ins tiefe Hinterland, wo alles geschehen konnte. Die Nacht war die Zeit dunkler Magie, und davon gab es viele, kraftvolle Spielarten. Der Friedlichkeitszauber der Pinien war nur ein Beispiel dafür; es gab mit Sicherheit auch Angstzauber und noch Schlimmeres. Wenn er nur ein Haus finden könnte!
    Er war wirklich ein seltsamer Abenteurer! Sobald er einmal ein bißchen vom Weg abkam, sobald es dunkel wurde, fing er an, auf seine eigene überreiche Einbildungskraft zu reagieren. Tatsache war doch, daß dies hier noch nicht die tiefe Wildnis war, daß es für einen vorsichtigen Mann kaum echte Gefahren hier gab. Die wahre Wildnis fing hinter dem Schloß des Guten Magiers an, auf der anderen Seite der Schlucht.
    Er

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