Change
konnte. Auch deshalb saß ich jetzt hier und genoss das abflauende Gefühl des brennenden Verlangens nach Koks, als deutlich vernehmbare Schritte einen Besucher ankündigten.
Dann flog die Tür auf, in meinen empfindlichen Ohren klang es wie ein Donnerschlag, als sie gegen die Wand krachte. Eine Gestalt trat aus dem Schatten des Flures in das Zwielicht meines Zimmers. Vorsichtig suchte sich der Schwarzhaarige einen Pfad durch leere Verpackungen, Hefte, Stifte und Papierschnipsel. Mein diffuser Blick strich an ihm hoch, erkannte sein Gesicht, das mich skeptisch musterte.
„Die Haustür stand offen, daher wollte ich gucken, was los ist.“, erklärte Mike sich, ohne mich zu begrüßen. Seine Augen hatten einen Moment später die Tüte mit dem weißen Pulver erspäht, das ich neben mir auf dem dreckigen Fußboden liegen hatte. Ein wütendes Blitzen trat in das dunkle Braun seiner Augen, seine Stirn legte sich in Falten. Mit einer groben Handbewegung zeichnete Mike eine Spur in die stickige Luft, deutete auf den Rest des Stoffes und stellte mich mit deutlich hörbarem Missfallen zur Rede.
„Was soll das? Warum tust du das schon wieder? Reicht dir ein Absturz nicht? Zumal ich dich um etwas gebeten hatte – und so hältst du also deine Versprechen!“
Bitter tönte seine kalte Stimme durch den Raum, erreichte meine Ohren und schnitt sich einer Rasierklinge gleich in mein Trommelfell. Ich zuckte zusammen, schwieg zunächst, während seine Worte langsam in mein Gehirn sickerten. Mike ragte vor mir auf wie ein Riese, sah mit verschränkten Armen auf mich herab. Ich konnte dem enttäuschten und wütenden Blick nicht standhalten, sah weg. Dabei fiel das Beutelchen Koks erneut in mein Blickfeld.
Es war alles die Schuld von diesem Teufelszeug. Mike, der wunderbarste Mensch der Welt, war sauer auf mich, weil ich ihn enttäuscht hatte. Er hatte Vertrauen in mich gesetzt und ich hatte mich doch als zu schwach herausgestellt. Ich konnte nicht gegen den Drang ankämpfen, unterlag ihm immer wieder. Obwohl ich ihm meine Schwäche nicht so direkt zeigen wollte, brach ich in Tränen aus, als ich seine Worte realisierte. Ich war schwach. Wann immer ich den Drang hatte, den Stoff zu konsumieren, besorgte ich mir dann auch welchen – und das schien der Fehler zu sein. Denn anschließend war niemand da, um mir mein Versprechen, nicht mehr zu koksen, wieder in den Sinn zu rufen und mich zu bremsen. Allein konnte ich das nicht schaffen.
„Ich … es tut mir Leid.“, schniefte ich, vergrub mein Gesicht in meinen verschränkten Armen. Ich vernahm ein schwaches Seufzen, dann raschelte Kleidung neben mir. Vorsichtig hob ich den tränenverschleierten Blick und sah mich Mike gegenüber, welcher sich neben mich an die Wand gesetzt hatte, in dieselbe unbequeme Sitzposition und das Tütchen Koks zwischen den Fingern drehte. Das weiße Pulver glänzte so verführerisch, verhöhnte mich immer noch. Angewidert drehte ich mich weg, erneut wurde mir bewusst, was ich ihm eigentlich versprochen hatte – gleich zweimal. Und mir selber hatte ich ebenfalls dieses Versprechen gegeben – warum hatte ich es nicht gehalten? Weil ich es alleine nicht schaffte – ich war zu schwach.
„Mike…“, wimmerte ich, spürte seine Hand auf meiner Schulter, die mich federleicht berührte, doch keinen Zentimeter näher rückte, fast schon absichtlich großen Abstand beibehielt. Vielleicht tat er es extra für mich, vielleicht war er zu sauer auf mich – was es auch war, in just diesem Moment kümmerte es mich kaum. Stattdessen schluchzte ich weiter, presste genuschelte Worte zwischen den einzelnen Schluchzern aus meiner Kehle.
„Ich … ich schaff es … schaff es nicht selber … ich bin zu schwach … zu schwach … erbärmlich …“, krächzte ich, spürte, wie Mike neben mir inne hielt, wartete, einige Atemzüge lang, sich dann langsam zu mir lehnte, sanft über meinen Arm strich.
„Oh Baby … Ich weiß doch, dass das nicht einfach ist. Du musst nur stärker sein. Und du musst es wollen.“, murmelte er abwesend, seine Worte sollten mich anscheinend beruhigen, doch sie klangen sinnfrei in meinen Ohren, ich konnte nichts mit ihnen anfangen. Was wollte Mike? Sah er denn nicht, dass ich unmöglich von dieser Droge loskommen konnte? Ständig war ich ihren Einflüsterungen ausgesetzt, jedes Mal, wenn ich für mich entschieden hatte, dass ich kein sinnloses Leben führen wollte, kamen bald darauf schon die Gedanken in mir hoch, die mich von meinem Vorhaben
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