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Chaos Erde

Chaos Erde

Titel: Chaos Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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verschiedenartigster Kostümierung aus einem der Transferphänomene, die er schon vor Einnahme der Informationspille an ihrem Luftgeflimmer erkannt hatte. Die Führung hatte eine Frau mit reichlich forschem Auftreten, vielleicht auch wieder ein Simulacrum.
    »Da sind wir«, konstatierte sie mit lauter Stimme, »an unserem letzten Besichtigungsort vor der Abreise: London in England. Einzelheiten über die Stadt und ihre Geschichte finden Sie in dem Ihnen vor Antritt der Tour überlassenen Mentalimplantat. Sagen Sie subvokal >London<, und Sie erinnern sich mit aller Klarheit daran, durch ihre breitesten Prachtstraßen und engsten Gäßchen spaziert zu sein, den höchsten Turm erstiegen und den tiefsten Tunnel durchschritten, im feinsten Restaurant gegessen und im luxuriösesten Hotel geschlafen zu haben. Würden Sie nun bitte hier entlang kommen…«
    »Ist das alles?« keifte eine Frau aus dem Hintergrund der Touristenschar. »Fünfzehn Minuten für die gesamte Erde?«
    »Na, sie ist ja wohl auch kein sonderlich wichtiger Planet, oder? Lassen Sie sich bitte daran erinnern, daß unser nächstes Ziel Beta Lyrae römisch drei ist, auf dessen galaxisweit berühmte, sensationelle Attraktionen wir uns alle schon mächtig freuen, und dort verbringen wir eine volle Stunde. Also, da entlang bitte. Ihr Gepäck steht in zwölf Komma fünf Sekunden bereit.«
    Gehorsam entschwand die Touristengruppe und war gleich darauf spurlos fort, als hätte es sie gar nicht gegeben. Allerdings nervte es Quaddel enorm, was er von den letzten beiden Touristen hörte, bevor auch sie verschwanden.
    »Sollten wir nicht die Erinnerung speichern können, von einem Rhinozerus verschlungen worden zu sein?«
    »Meine Güte, Olaf«, lautete die mit einem Stöhnen hervorgestoßene Antwort, »nun sag bloß nicht, du hast schon wieder was zu meckern!«
     
    »Kommentar gefällig?« quatschte ein Bauchladenhändler Nixy und Quaddel kriecherisch an. Ohrhörer-Aufzeichnungen gaben seinen Hauptartikel ab, doch seine Waren umfaßten auch Anstecknadeln und Plaketten, manche mit unglaublichen, zweifellos für Aliens gedachten Befestigungsvorrichtungen, sowie Fähnchen und allerlei Souvenirs.
    »Ja«, sagte Nixy und hielt ihr rechtes Auge hin. Gleich darauf lauschten sie und Quaddel, die kapselähnlichen Miniaturgeräte in den Ohren, einer Stimme, die in distanziertem, von Angeödetsein gekennzeichnetem Tonfall Erläuterungen zu dem Festzug nölte, der soeben die Brücke erreichte. Vornweg marschierten bis auf Stiefel und Koppel nackte Männer und Frauen.
    »…an einem Ehrenplatz an der Spitze der Kolonne sehen Sie die Wachbrigade, bekannt für ihren Heldenmut im Gefecht und ihre Weigerung, an Uniform viel mehr als >Bärnmützn< zu tragen, ein Terminus, dessen Bedeutung etymologisch im Sinne von >bare Haut< erklärt wird.«
    Bis dahin deckte die Kommentierung sich mit dem gebotenen Anblick. Sie stimmte auch noch für die nachfolgende Militärkapelle. Hinsichtlich der Königlichen Kavallerie hatte Nixy allerdings gelinde Zweifel: es fiel ihr schwer zu glauben, daß die lebensgroße Darstellung einer blutbesudelten, an einem Kreuz baumelnden Gestalt etwas in einem Umzug zu suchen haben sollte, den man anläßlich einer Jubiläumsfeier veranstaltete, geschweige denn mit Pferden, und da er nie Christ gewesen war, konnte Quaddel ihr diesbezüglich keinen Aufschluß erteilen.
    Von da an erwies es sich als immer schwieriger, miteinander zu vereinbaren, was sie sahen und was sie hörten. Welcher Zusammenhang bestand zwischen Akrobaten und Jongleuren, die sich zwecks Erbringung von Höchstleistungen der Antigravitation bedienten, und den »gekrönten Häuptern Indiens und Indonesiens«, selbst wenn letztere lediglich als Simulacren auftraten? Und weshalb sangen die »Studenten der angesehensten Bildungsinstitutionen des Britischen Reiches« zotige Lieder und bespritzten die Zuschauer mit Schmutzwasser? (Erneut fragte sich Quaddel, was aus den unglückseligen Dozenten geworden sein mochte, deren Studenten sich gegen Simulacren ausgewechselt hatten und abgehaut waren.) Und weshalb sah die Invergracholler Dudelsack-Band wie fünf- und sechsjährige Kinder auf Elektrorollern aus?
    Als Quaddel sich Nixy zuwandte, um sie nach ihrer Meinung zu fragen, sah er erschrocken, daß ihr Gesicht blaß geworden war und ihre Unterlippe bebte. Eine Träne rann ihr über die Wange.
    »Nixy, Liebling«, rief Quaddel, »was ist?« Es schien, als hörte sie ihn nicht. Sie antwortete kaum

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