Chaosprinz Band 2
so wie er es bei mir auch immer macht? Warum hatte ich ganz plötzlich dieses undefinierbare Gefühl, bei ihm sein zu wollen?
Alex, Maria und Bettina sprechen gerade über Markus, sprechen gerade über ihre Familie und irgendwie gehören Pa und ich nicht richtig dazu… Wir sind ein eigener kleiner Teil…
»Was ist los?« Ich habe ihn vollkommen vergessen. Er mustert mich prüfend, fragend. »Ist was passiert?«
Ich schlucke schwer. »Hm… nein, ich wollte nur mal kurz Hallo sagen…«, flüstere ich.
»Okay…«
Wieso ist das so schwer? Wir sind doch Vater und Sohn, da sollte man einander doch näher sein. Wo ist dieses natürliche, angeborene Band, diese Verbindung, die es uns möglich macht, auch nach einer jahrelangen Trennung, ein Gefühl für den anderen zu bekommen?
Ob es Alex auch so gehen wird, wenn er Markus zum ersten Mal wieder begegnet?
Seufzend stehe ich auf.
»Ich gehe schlafen«, meine ich erschöpft.
»Ja, ist gut.« Pa nickt unsicher. Auf seinem Schreibtisch stehen, neben dem PC und einer Menge Büromaterialien vier große Bilderrahmen. In einem befindet sich das Hochzeitsbild von Bettina und ihm. Die anderen Rahmen beinhalten Fotos von der gesamten Familie: Bettina, Pa, Alex, Maria, Timmy und Emma.
Der vierte Rahmen fällt etwas aus der Reihe: Er ist nicht aus Silber wie die anderen, ein schlichter, viereckiger Holzrahmen, in dem sich eine Zeichnung befindet. Man kann nicht sehr viel erkennen, scheinbar wurde das Bild von einem Kind gemalt.
Krakelige, wilde Malereien auf einem weißen Stück Papier. In der oberen linken Ecke der Zeichnung befindet sich eine große, gelbe Sonne, ihre Strahlen breiten sich fast über das gesamte Blatt aus. Am Boden ist mit einem grünen Buntstift Gras gemalt und darauf stehen drei Personen, die dem Betrachter lustig entgegenlachen. Ein Mann, eine Frau und in ihrer Mitte ein Kind. Ein Junge.
Ich seufze leise, wahrscheinlich werden Pa und ich niemals ein wirklich intensives, liebevolles Verhältnis haben. Vielleicht ist einfach zu viel Zeit vergangen. Pa liebt nun seine neue Familie. Er hat die Fotos von Bettina und den Kindern auf seinem Schreibtisch stehen und hebt die Malereien von Timmy und Emma auf. Für mich ist in diesem Rahmen kein Platz mehr.
»Gute Nacht«, nuschle ich und drehe mich schnell um, damit er meine feuchten Augen nicht bemerkt.
»Nacht…«, meint er. Ich bin sehr froh, als ich endlich draußen im dunklen Flur stehe. Leise schniefend wische ich mir die warmen Tränen aus dem Gesicht. Ganz ruhig, nur ein kleiner emotionaler Anfall. Geht hoffentlich schnell wieder vorbei. Ich könnte mich über mich selbst ärgern. Warum begebe ich mich auch immer wieder in so dämliche Situationen, bei denen ich mich im Endeffekt nur selbst verletze?
***
Als ich aufwache, habe ich das Gefühl kaum geschlafen zu haben. Ich bin immer noch todmüde. Und meinen Wecker habe ich anscheinend vollkommen überhört. Jemand schüttelt mich, rüttelt an meiner Schulter. Martha? Habe ich verschlafen?
»Lass mich, ich bin ja wach«, nuschle ich gereizt in mein Kissen.
»Steh auf!«
Das ist nicht Martha. Ich hebe den Kopf, versuche, meine müden Äuglein zu öffnen. Orientierungslos und verschlafen schaue ich mich um. In meinem Zimmer ist es immer noch stockdunkel. Regentropfen trommeln auf die Scheibe des Dachfensters über mir. Ich höre den Wind, der um das Haus fegt. Draußen tobt ein Sturm.
Verwirrt richte ich mich auf. Langsam gewöhnen sich meine Augen an die Dunkelheit. Ich erkenne eine Gestalt, die neben meinem Bett steht. Groß, schlank… blondes Haar, das selbst in der finstersten Nacht zu glänzen scheint…
»Alex?«, frage ich überrascht.
»Hm…«, raunt er nur.
»Was ist los? Wie viel Uhr ist es?« Ich beuge mich eilig zu meinem Nachttischchen rüber und schalte die kleine Lampe an. Es wird hell. Ich mustere ihn nervös. In seinen Augen scheint derselbe Sturm zu toben wie draußen. »Wie viel Uhr ist es?«, wiederhole ich.
»Kurz vor Mitternacht«, antwortet er mit tiefer Stimme.
»Warum hast du mich geweckt?« Seine äußerliche Ruhe macht mich sehr nervös. Alex gibt mir keine Antwort, stattdessen geht er auf meinen Kleiderschrank zu, öffnet ihn und beginnt, darin zu wühlen.
»Was…?« Ich sehe ihm ängstlich dabei zu, wie er meine Reisetasche auf das Bett wirft und nun wahllos anfängt, irgendwelche Klamotten hineinzustopfen.
»Ich muss hier raus…«, murmelt er schließlich leise.
»Du musst… was?«
»Ich kann nicht
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