Chaosprinz Band 2
Anwesenheit nicht immer?«, stichelt Marc.
»Blödarsch«, motze ich.
»Nun, um ehrlich zu sein, ist er gerade die einzig wirkliche Konstante in meinem Leben«, meint Alex ruhig.
Ich strahle glücklich und würde ihm am liebsten um den Hals fallen, aber erstens würde Marc sich über eine erneute Knutscherei nur wieder aufregen und zweitens kann ich mich sowieso keinen Zentimeter weit bewegen, da sich meine Beine scheinbar in wabbelige Gummistelzen verwandelt haben. Leicht zitternd, mit irrem Blick und knallroten Wangen stehe ich neben Alex.
Marc lächelt mich an. »Na, wenn das so ist… Aber eine zweite Flucht kann ich wirklich nicht unterstützen.« Er droht uns in der allerbesten Oberlehrermanie mit dem Zeigefinger. Alex und ich nicken wie zwei brave Schulkinder.
»Wie wär's, wenn ihr mit mir und Jens auf eine Party geht? Ein Kollege von ihm hat –«
»Was?«, rufe ich. Irgendwo läutet eine Glocke. Meine Alarmglocke höchstwahrscheinlich. »Was willst du damit sagen? Jens und du…«
»Wir gehen heute Abend auf eine Party. Ja.« Marc sieht mich verständnislos an. »Das habe ich doch eben gesagt.«
»Du gehst mit ihm aus?« Ich kann es einfach nicht glauben.
»Warum nicht?«, fragt er angriffslustig.
»Ich dachte, das wäre eine einmalige Sache gewesen.«
»Es geht dich nichts an, wie viele einmalige Sachen es zwischen mir und Jens gibt«, unterbricht mich Marc abweisend.
»Das ist doch nicht dein Ernst?«, fauche ich aufgebracht. Alex tippt mir auf die Schulter. »Marc, weißt du überhaupt, was du da tust?«
»Ich bin achtundzwanzig Jahre alt, da musst du mir so dumme Fragen nicht stellen«, blafft er beleidigt. »Ich verbringe Zeit mit einem lieben Freund. Wir sind erwachsen und können die Dinge sehr gut auseinanderhalten.«
»Also, Jungs…« Alex greift nach meinem Handgelenk und zerrt ungeduldig daran. Er will wohl nicht, dass wir uns streiten.
»Nicht jetzt, Alex«, zische ich wütend. Ich starre Marc an. »Du hast doch keine Ahnung. Ich hätte wirklich niemals gedacht, dass du so unsensibel sein kannst. Merkst du denn nicht, wie sehr Jens in dich verliebt ist? Und wenn du mit ihm schläfst…« Ich befürchte, Alex reißt mir gleich den Arm aus der Schulter.
»Er ist nicht in mich verliebt!«, ruft Marc und klingt nun leicht hysterisch. »Wir haben doch über alles gesprochen. Es ist nur Sex, nicht mehr.«
»Jens sieht das anders.«
»Tut er nicht.«
»Doch, tut er, er liebt dich!«
»Hallo, Manu!«
Verblüfft und überrascht starren Marc und ich Alex an. Er hebt die Hand zum Gruß und schaut an uns vorbei auf einen Punkt, der sich hinter uns befindet.
Erst wird mir kalt, dann heiß und dann wieder kalt. Kurzzeitig gefriert mein Herzschlag und setzt für einige Schläge aus. Alles an und in mir erschaudert. Mein Hirn und mein Magen drehen sich in wilden Kreisen, bis beiden sehr, sehr übel wird.
Ich sehe Marc an. Er ist kalkweiß. Zitternd dreht er sich um und zuckt noch einmal zusammen. Auch ich wage es nun und schaue nach hinten.
Manu steht vor der Eingangstür. Groß, breitschultrig und stumm. Sein Gesicht ist regungslos. Er verzieht nicht eine Miene. Er blinzelt nicht einmal. Nur seine tiefbraunen Augen schwimmen in glitzerndem Wasser.
»Manu«, haucht Marc.
»Du hast deinen Schlüssel im Auto vergessen.« Manus Stimme klingt tief und ruhig. So ruhig, viel zu ruhig. Manu hält Marcs Schlüsselbund in die Höhe.
»Danke…«, stottert Marc und streckt seine zitternde Hand aus.
Manu macht keinen Schritt auf ihn zu. Er bewegt sich nicht. Er hält den Schlüsselbund immer noch in der Hand, auf Schulterhöhe. Dann lässt er ihn einfach los. Mit einem klirrenden Knall fallen die Schlüssel auf die alten Holzdielen. Manu dreht sich um und verlässt den Laden. Wir starren ihm hinterher.
***
»Wieso hast du mich nicht gewarnt?«, frage ich Alex zum etwa zweitausendsten Mal.
»Ich habe dich doch warnen wollen, aber du hast mich ignoriert«, verteidigt sich Alex bissig.
»Dann hättest du eben etwas direkter sein müssen.«
»Und wie?«
»Von mir aus, hättest du mir eben eine reingeschlagen«, blaffe ich aufgebracht.
»Schade, dass ich nicht wusste, dass ich die Erlaubnis dazu habe«, motzt er beleidigt.
Dieses Gespräch führen wir schon zum wiederholten Mal. Ich fange nicht immer wieder davon an, weil ich dieses Thema so gerne diskutieren möchte oder weil ich hoffe, auf irgendeine Lösung zu kommen. Nein, ich hatte schlichtweg vergessen, dass wir dieses Gespräch schon
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