Chaosprinz Band 2
längst geführt haben.
Ich stehe komplett neben mir. Meine Gedanken fahren Karussell. Ich bin verzweifelt. Aber natürlich nicht so wahnsinnig verzweifelt, wie Marc es ist. Der Arme war kaum ansprechbar. Er stand wirklich unter Schock. Ludwig schickte uns heim.
»Ihr könnt ihm momentan nicht helfen«, flüsterte er und sah mich ernst an. »Ich werde den Laden schließen und ihn mit nach Hause nehmen. Dort soll er sich dann ein bisschen ins Bett legen und schlafen.«
Ich nickte unsicher und strich Marc durch das schwarze, seidige Haar.
»Ich rufe dich an, Marc. Okay?«, sagte ich sanft.
Er schien mich nicht richtig zu hören, nickte nur und nuschelte: »Ja, anrufen… Ich muss ihn anrufen…«
Sein Vater streichelte ihm beruhigend über den Rücken. »Du kannst später mit Manu telefonieren. Jetzt gehen wir erst einmal nach Hause.«
Wir biegen in unsere Straße ein. Wer hätte jemals gedacht, dass ich mich auf unser stilles, verklemmtes Zuhause freuen würde. Alex lässt den Wagen in unsere Einfahrt rollen.
»Was zum…« Er stöhnt.
Mitten auf dem Hof steht ein schwarzer Audi. Quer.
»Wie soll ich denn an dem vorbeifahren?«, zischt er. »Wer parkt denn auch so dämlich, mitten in der Einfahrt?« Er schafft es dann aber doch und lenkt den Wagen an dem Audi vorbei. Direkt vor den geschlossenen Garagentoren bleibt er stehen und schaltet den Motor aus.
»Denkst du, Manu und Marc werden sich noch einmal vertragen?«, frage ich leise. Alex zuckt mit den Schultern.
»Ich weiß nicht.« Er sieht mich liebevoll an. »Mach dir bitte nicht so viele Gedanken.«
»Natürlich mache ich mir Gedanken«, erwidere ich empört. »Sie sind meine Freunde und ich habe sie lieb.«
Er lächelt und streichelt zärtlich meine Wange. Sofort geht es mir ein kleines bisschen besser. Er hat Zauberhände.
»Wer weiß«, meint Alex leise. »Vielleicht war dieses Ereignis eine erfolgreiche Schocktherapie. Marc sieht ein, dass er sich überhaupt nicht von Manu trennen will, und Manu begreift, dass es Marc mit seinen Drohungen ernst war, und versucht, etwas an ihrem Verhältnis zu ändern.«
Das klingt logisch. Ein warmer Funke Hoffnung entzündet sich in meiner Brust. Ich nicke erleichtert.
Gemeinsam gehen wir zum Eingang unseres Hauses. Die lauten Stimmen und Geräusche wirken seltsam fehlplatziert. Schreie und Gezeter in unserem Haus? Alex und ich bleiben stehen. Tatsächlich, dort drinnen scheint ein heftiger Streit zu toben. Ich schaue Alex ängstlich an.
»Was ist das?«
Er zuckt nur mit den Schultern. Sein Gesicht verhärtet sich. Er strafft die Schultern, holt seinen Hausschlüssel aus der Hosentasche und geht auf die Tür zu. Ich folge ihm. Bevor wir sie jedoch erreichen, wird sie auch schon aufgerissen. Karl tritt heraus – zusammen mit einem anderen Mann. Matthias Eichel.
Aber ist das wirklich Matthias. Wo ist der sanfte, lächelnde Kinderarzt geblieben? Der Mann vor uns hat mit ihm kaum mehr etwas gemein. Sein Haar ist zerzaust, die Brille sitzt ihm schief auf der Nase und das weiße Hemd ist halb aufgeknöpft und hängt ihm aus der Hose. Er schreit und brüllt.
Karl hat ihn an den Schultern gepackt und zerrt und schiebt ihn nach draußen. Matthias wehrt sich aus Leibeskräften, doch der bärenartige Karl ist deutlich stärker.
»Sie gehen jetzt besser, Herr Eichel«, brummt er drohend.
»Ich gehe nirgends hin!«, kreischt Matthias hysterisch. »Lassen Sie mich los, Sie Idiot! Ist dieses feige Arschloch nicht einmal in der Lage, mich selbst vor die Tür zu setzen?«
Er fuchtelt wild mit den Armen und stolpert fast, als ihn Karl ruckartig loslässt. Strauchelnd hält er sich auf den Beinen. Er keucht und richtet sich wieder auf. Wütend starrt er Karl an, der schützend vor der Eingangstür steht.
»Gehen Sie jetzt!«, fordert Karl ihn noch einmal auf.
»Sie haben mir nichts zu sagen«, blafft Matthias atemlos.
»Hören Sie«, brummt Karl ernst. »In diesem Haus sind Kinder. Ich bitte Sie…«
»Kinder?«, höhnt Matthias aufgebracht. »Ach? Und die lieben Kleinen sollen nicht erfahren, in was für einer scheinheiligen Familie sie leben?« Er dreht den Kopf und bemerkt Alex und mich.
»Hast du gehört?«, fragt er Alex. In seinen Augen blitzt der Wahnsinn. »Du lebst in einer falschen, heuchlerischen, kranken Familie!«
Alex starrt den Mann stumm an. Ich zittere so heftig. Ich glaube, ich muss gleich heulen.
»Lassen Sie die Jungs in Ruhe!« Karl macht einen Schritt auf Matthias zu. Doch der aufgebrachte
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