Chaosprinz Band 2
Pohlmanns beobachten voller Genugtuung, wie ich mich mit Olga zu einem langsamen Walzer über das Parkett bewege. Die alte Frau stinkt fürchterlich aus dem Mund und ihre knochigen Finger bohren sich viel zu fest in meine Schulter. Ein Tanz mit ihr ist wirklich eine Strafe.
Ich beiße die Zähne zusammen und kämpfe gegen die Gefühle der Wut, Enttäuschung und Trauer. Denk an etwas Schönes… Denk an Pa und Bettina… Die beiden haben sich versöhnt… Vielleicht reichen manchmal ein paar einfach Worte und ein ehrlicher Blick…
Vielleicht braucht man nicht immer einen herzerweichenden Monolog und eine hollywoodreife Kulisse im Hintergrund. Vielleicht hat Verzeihen nichts mit Argumenten und Rationalität zu tun…
Olga plappert ununterbrochen und erzählt von ihrer Jugend, in der natürlich alles besser war. Ich wünschte, sie würde den Mund halten, nicht nur, weil es mich nicht interessiert, was sie da von sich gibt, sondern vor allem, weil mir jedes Mal, wenn sie spricht, ein neuer Schwall Mundgeruch entgegenschlägt. Mir wird schlecht.
»Darf ich bitte abklatschen?«
Olga und ich drehen gleichzeitig die Köpfe. Alex steht neben uns.
»Oh, ja, gerne«, krächzt die Alte begeistert. Sie entlässt mich aus ihrem Klammergriff und wendet sich Alex zu.
»Vielen Dank«, sagt Alex höflich zu ihr. Dann greift er nach meiner Hand und zieht mich fest an sich.
Olga starrt uns aus geweiteten Augen an. Ihr Mund steht sperrangelweit offen und ich fürchte schon, ihr könnte das Gebiss herausfallen, als mich Alex schwungvoll dreht und Olga aus meinem Blickfeld verschwindet.
»Oder willst du nicht mit mir tanzen?«, fragt er mich mit tiefer Stimme und betrachtet schmunzelnd mein überraschtes Gesicht.
»Doch«, hauche ich total verwirrt.
»Schön.« Er legt seine Hand auf meine Hüfte und zieht mich noch etwas enger an sich heran.
»Hör mir mal zu, Bambi«, flüstert er in mein Ohr. »Es gibt tatsächlich Dinge, die sich niemals ändern. Und andere, die es durchaus tun.« Seine grauen Augen bohren sich in meine.
»Aber Veränderungen brauchen Zeit. Und sie sind nicht einfach. Ich muss Geduld haben und du musst Geduld haben.« Er lehnt seine Stirn an meine. »Aber egal was passiert, du darfst niemals an meinen Gefühlen für dich zweifeln. Dazu besteht kein Grund.«
Heiße und kalte Schauer rieseln mir den Rücken herunter. Ich kann nicht wegschauen, kann den Blick nicht von diesen grauen Augen nehmen. Er ist mir so nah… Ich bin ihm so nah…
»Ich liebe dich, Bambi.«
Warm und weich streifen seine Lippen meinen Mund… nur ganz kurz… ganz zärtlich… Dann zieht er sich wieder zurück. Er lächelt.
Mir ist schwindelig. Ich halte mich an ihm fest. Die Walzermusik trägt uns durch den Raum. Wir brauchen unsere Füße gar nicht zu bewegen, wir schweben. Ja, ich schwebe.
Von allen Seiten werden wir angestarrt. Ein Gemurmel und Getuschel schwappt durch den Raum. Aufgeregtes und entsetztes Zischen. Wen interessiert das?
Die Pohlmanns stehen am Rand der Tanzfläche und sehen bedrohlich blass aus. Ihre schockierten Gesichter sind nicht zu beschreiben. Anja wird von ihren Eltern belagert, die eine Erklärung für diese Szene fordern.
Larissa kommt aus dem Gaffen nicht mehr heraus und ihre Mutter scheint einem Herzinfarkt nahe zu sein. Nichts davon interessiert mich auch nur im Geringsten.
Ma tanzt an uns vorbei. Sie hat Emma auf den Arm genommen und dreht sich nun hüpfend mit ihr im Kreis. Emmas Haar fliegt durch die Luft und sie lacht fröhlich.
»Nur, dass ihr es wisst«, ruft uns Ma grinsend zu. »Ich bin äußerst schockiert und werde dich enterben.«
Ich muss lachen. »Bedeutet das, dass ich auf deine Heilsteinsammlung verzichten muss?«
»Korrekt«, antwortet sie. »Keine Steine für dich.«
Alex und ich grinsen uns an.
»Jetzt bist du das schwarze Schaf der Familie«, flüstere ich.
»Alle, die mir etwas bedeuten, kommen damit bestens klar, und das ist alles, was zählt.« Er lehnt seine Stirn an meine.
»Ja.«
Er hat recht. Wir schweigen eine Weile, sehen uns stumm in die Augen, genießen es, einander so nah zu sein… endlich.
»Alex?«, frage ich nach einer Weile. »Wenn Bettina hier bleibt… Gehst du… Wirst du mit Markus…?«
»Ja.« Er nickt ernst. »Ich ziehe nach New York, Bambi.«
Sofort wird mein Herz wieder etwas schwerer.
»Aber noch nicht heute«, flüstert er und küsst meine Wange. »Heute bin ich noch hier.«
Das stimmt. Heute ist er noch hier. Bei mir. In meinem
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