Charade - Bittersueßes Spiel
hinzufahren.«
»Ich kann dich abholen.«
»Ich werde dich anrufen.«
Eine Sekunde lang steht sie mit verschränkten Armen da, weicht meinem Blick aus, während sie den Rest meines Zimmers mustert.
»Was ist los?«, will ich wissen. Noch immer wirkt sie nervös. »Ich habe dir heute die schmerzhafteste Sache meines Lebens gezeigt. Ich denke, unsere Grenzen sind längst zur Hölle gefahren, meinst du nicht?«
Ich setze mich auf. Nackt.
»Sie veranstalten eine Beerdigung für meine Mom.«
»Fuck«, sage ich. Ich habe gespürt, dass etwas nicht mit ihr stimmt. Den ganzen Tag hat sie es runtergespielt. Für mich. Für Mom.
Ich strecke meine Hand nach ihr aus, doch sie schüttelt den Kopf. »Kannst du mich begleiten? Danach treffen wir uns im Haus meiner Tante. Essen. Menschen. Gregorys Familie wird da sein.«
Ich muss mich zurückhalten, etwas über ihn zu sagen, lass es aber schließlich bleiben. Sie war heute unglaublich mit meiner Mom, also kann ich das für sie tun.
»Ja. Ist okay. Ich werde da sein.«
Es entsetzt mich, wie sehr es mich stört, dass sie meine Umarmung nicht zulässt. Deswegen bin ich hier. Um sie vergessen zu lassen, wie sie mich vergessen lässt. Es ist alles, was ich für sie tun kann.
»Danke … Ich … Danke. Ich schicke dir alle Informationen per SMS.«
Sie geht aus meinem Schlafzimmer. Ich atme aus und lasse mich zurück auf mein Bett fallen. Keine Ahnung, was zur Hölle wir hier machen oder wie es überhaupt dazu kommen konnte.
Als sich meine Tür wieder öffnet, sehe ich hoch und schnappe mir ein Kissen, um mein bestes Stück zu verdecken, doch es ist Cheyenne.
»Du bist ein guter Sohn, Colt. Du … du bist unglaublich mit ihr. Das wollte ich dich nur wissen lassen.«
Dieses Mal ist sie tatsächlich verschwunden, meine Gedanken jedoch verlässt sie nicht, und zum ersten Mal kann ich mir eingestehen, dass ich das auch nicht will.
21. Kapitel
Cheyenne
Hier wusste niemand, wer sie war, und ich frage mich, ob ich auch dazu gehöre. Oder Tante Lily. Ob Mom selbst wusste, wer sie war?
Weiß ich, wer ich bin?
Die einzigen Leute, die behaupten können, Mom gekannt zu haben, sind Tante Lily, mein Onkel, mein Cousin und ich. Der Rest sind Freunde meiner Tante und meines Onkels. Viele sind nicht gekommen, denn die meisten hatten keine Zeit. Diejenigen die doch hier sind, haben es vermutlich aus Respekt zu Lily getan.
Gregory ist natürlich hier. Seine Familie. Es war klar, dass Lilys und Marks beste Freunde kommen würden. Sie stehen auf der anderen Seite des schwarzen Sargs. Ich verstehe nicht, warum wir überhaupt einen Sarg brauchen, wo nicht mehr als Knochen von ihr übrig geblieben ist. Lily will nur das Beste für sie. Sie wollte immer mehr für Mom, als Mom für sich selbst wollte.
Colt steht neben mir. Er trägt elegante schwarze Stoffhosen und ein schwarzes, langärmeliges Hemd. Ich frage mich, ob er die Kleider für diesen Anlass gekauft hat, oder ob er sie schon vorher besaß. Nicht, dass es wichtig wäre, aber ich kenne ihn, und das ist nicht die Art Klamotten, in denen er sich wohlfühlt. Ich bin ihm dankbar, dass er das für mich tut. Ebenso dankbar bin ich, dass er nichts mit seinen Haaren angestellt hat. Es sieht aus, wie es immer aussieht – total zerzaust.
Sein Griff um meine Hand wird fester, doch ich drücke nicht zurück. Ich bin froh, dass er bei mir ist. Ich gebe es nicht gerne zu, aber ich brauche ihn hier. Mein Körper ist schlichtweg zu betäubt, um zu reagieren und ihm meine Dankbarkeit zu zeigen.
Die Überreste meiner Mutter liegen in einer Box so schwarz wie die Nächte, die sie in den Wäldern verbracht hat.
Wie viel von ihr kann übrig geblieben sein?
Der Pastor hört nicht auf, zu reden.
Ich konzentriere mich nicht darauf, was er sagt, sondern nur auf Colts raue Hand, die meine hält. Dieser harte Junge, der die Welt hasst und flucht, wie ein Seemann, und zugleich so sanft mit seiner Mom umgeht – heute ist er hier bei mir. Ich kann nicht erklären, wie wir hier gelandet oder in diese Situation geraten sind, aber ich bin sicher, dass ich diesen Tag ohne ihn nicht überstehen könnte.
Wieder etwas, dass ich nicht zugeben möchte.
Erneut wird meine Brust eng.
Beruhige dich, Chey!
»Du machst das verdammt gut«, flüstert Colt in mein Ohr, und ich kann nicht anders, als zu lächeln. Nur er würde das Wort
verdammt
auf Moms Beerdigung verwenden.
Die Zeremonie endet, und ich bin die Erste, die nach vorne darf, um eine Rose in Moms Grab zu
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