Charlie Chan macht weiter
war beeindruckt. »Dann sind Sie das gewesen, der bei der Lady war, als sie getötet wurde?«
»Ja.« Duff nickte unbehaglich. »Ich befand mich in dieser unangenehmen Situation. Wollen Sie sich nicht setzen?«
»Ich möchte lieber stehen.«
Natürlich, bei dieser Uniform, dachte Duff. Laut fuhr er fort: »Ich möchte Ihnen ein paar Zusammenhänge erklären.«
So knapp, wie er nur konnte, umriß er mit wenigen Worten den Fall, den er zu lösen hatte, und erklärte auch Sybil Conways Rolle bei der Geschichte. Indessen achtete er darauf, Loftons Gruppe unerwähnt zu lassen.
Der Italiener lauschte mit unerschütterlicher Ruhe. Als Duff geendet hatte, nickte er. »Ich danke Ihnen sehr. Vermutlich werden Sie San Remo nicht verlassen, ohne sich vorher mit mir in Verbindung gesetzt zu haben?«
»Kaum.« Duff lächelte grimmig. Unzählige Male hatte er die gleiche Bemerkung zu anderen Männern gemacht.
»Was haben Sie bei der Durchsuchung dieser Räume entdeckt, Inspector?«
»Nichts«, antwortete der Scotland-Yard-Mann rasch.
»Überhaupt nichts.«
Sein Herz schlug etwas schneller. Was war, wenn dieser Polizeibeamte verärgert befahl, ihn zu durchsuchen, und dabei Honywoods Brief fand?
Einen Moment lang starrten sie sich beide an, aber Duffs solides, seriöses Aussehen gewann.
Der Italiener verneigte sich. »Ich werde die Ehre haben, Sie später noch zu sehen.«
Das war quasi eine Entlassung.
Erleichtert eilte Duff aus dem Zimmer. In seinem eigenen schloß er die Tür hinter sich ab, zog einen Stuhl unter eine schummrige Lichtquelle und holte den bereits geöffneten Umschlag hervor. Er trug in der oberen linken Ecke das Firmenwappen des »Broome’s« in London und war am 15. Februar abgestempelt worden – acht Tage nach dem Mord an Drake.
Duff fischte einen Packen Papier aus dem Umschlag. Walter Honywood hatte eine ungewöhnlich kleine Handschrift, trotzdem füllte die Nachricht an seine Frau viele Seiten. Mit großer Erwartung begann Duff zu lesen.
Liebste Sybil, wie Du aus dem Briefkopf ersiehst, bin ich jetzt auf meiner Fahrt rund um die Welt, die mir meine Ärzte, wie ich Dir aus New York geschrieben hatte, empfohlen haben, in London gelandet. Es sollte für mich eine Zeit der Ruhe und Entspannung werden, indessen ist daraus der schrecklichste Alptraum geworden, den man sich nur vorstellen kann.
Jim Everhard macht die Weltreise auch mit!
Das habe ich am Morgen des 7. Februar herausgefunden – und zwar unter den schaurigsten Umständen. Umständen, die so grauenerregend und fantastisch sind… Aber warte!
Als ich in New York an Bord des Schiffes ging, kannte ich die Namen der anderen Reiseteilnehmer nicht, ja, ich hatte noch nicht einmal den Reiseleiter kennengelernt. Vor dem Auslaufen des Schiffes wurden wir kurz an Deck einander vorgestellt, und ich schüttelte allen die Hände. Ich habe Jim Everhard nicht wiedererkannt. Wie hätte ich auch sollen? Wie Du Dich erinnern wirst, habe ich ihn nur ein einziges Mal gesehen, und die Beleuchtung war schlecht in deinem kleinen Wohnzimmer. Nur eine trübe Öllampe brannte, und es liegt schon so viele Jahre zurück. Ja, ich habe auch Jim Everhard die Hand geschüttelt, dem Mann, der geschworen hat, mich umzubringen – und auch Dich. Doch ich habe nie im Traum daran gedacht…
Nun, die Überfahrt war sehr stürmisch, so daß ich meine Kabine nicht verließ – bis auf ein paar kurze Spaziergänge an Deck nach Einbruch der Dunkelheit. So hatte ich, als wir in London ankamen, noch immer keine Ahnung. Während der ersten Tage standen sehr viele Stadtrundfahrten auf dem Programm, die ich nicht mitmachte. London kannte ich ja bereits.
Am Abend des 6. Februar saß ich im Salon des »Broome’s«, als ein anderes Mitglied der Reisegruppe hereinspaziert kam. Ein feiner alter Herr aus Detroit. Er hieß Hugh Morris Drake und war sehr schwerhörig, aber der netteste Mann, den man sich vorstellen kann. Wir kamen ins Gespräch. Ich erzählte ihm von meiner Krankheit und fügte hinzu, daß ich die letzten Nächte sehr wenig geschlafen hatte, weil in dem einen Raum neben mir bis spät in die Nacht hinein laut vorgelesen wurde. Deshalb zögerte ich auch jetzt, hinauf ins Bett zu gehen, weil ich wußte, ich konnte ohnehin nicht schlafen, sagte ich.
Dem lieben, alten Mann kam eine Idee. Er meinte, was mich störte, kümmerte ihn ob seiner Schwerhörigkeit absolut nicht, und bot mir an, die Zimmerfür die Nacht zu tauschen. Wie sich herausstellte, hatte er das Zimmer
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