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Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Titel: Charlotte Und Die Geister Von Darkling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Boccacino
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geliebt von seinem Volk wegen seiner unübertroffenen Weisheit und seines Edelmutes.
    Die Buben schliefen bereits fest, als Lily mit der Geschichte zum Ende kam und das Buch auf den Nachttisch zurücklegte. Sie küsste beide auf die Wange und löste sich aus ihren Armen.
    »Schlaft gut, meine Lieblinge.«
    Sie drehte sich um und ging aus dem Zimmer. Ich warf noch einen letzten Blick auf die beiden, dann folgte ich Mrs. Darrow in mein eigenes Nachtquartier, das in gedämpften Blau- und dunklen Violetttönen eingerichtet war. Ein Himmelbett stand in der Mitte des Raumes auf einem azurblauen Bodenbelag, auf dem es wie in einem Meer zu treiben schien.
    »Danke, es ist wunderschön.«
    Lily stand einen Augenblick schweigend, bevor sie zur Tür zurückging. »Frühstück ist um neun.«
    »Woran erkennen Sie, wann es Morgen ist?«
    »Sie können es nicht. Ich   …« Sie brach ab. »Ich werde Sie und die Kinder holen, wenn es so weit ist.« Mrs. Darrow ging und schloss die Tür hinter sich, und ich fragte mich, warum eine Frau, die vorgab, die Herrin des Hauses zu sein, ihre Gäste zu ihren Gemächern brachte.

ACHTES KAPITEL
    Mr. Whatleys Sammlung
    Ich zog mein Nachtgewand an, konnte aber nicht schlafen. Das Darkling-Haus war voller Geräusche: Knarren von Bodenbrettern, rasselnder Atem unten in der Halle, ein Krabbeln draußen vor meiner Zimmertür   … das, zusammen mit einem gelegentlichen Ammoniakgeruch, war schon genug, den Gedanken an Schlaf auf Abstand zu halten. Ich fragte mich, ob die Kinder schlafen konnten. Wenigstens hatten sie einander.
    Die Wand gegenüber dem Bett bestand aus Kleiderschränken verschiedener Epochen, aus denen ein übergroßer Kuriositätenschrank mit halbmondförmigen Griffen an den kleinen Türen gezimmert worden war. Ich öffnete eine nach der anderen und begutachtete all den Krimskrams, den Mr. Whatley angesammelt hatte: Da gab es einen Handspiegel, der meinem Zimmer alles Licht entzog, um damit die Welt im Spiegelbild zu erhellen; ein Glasauge, das in einer endlosen Acht rollte; etwas Geheimnisvolles in einem samtenen Beutel, das wie ein menschliches Herz schlug; ein Gestell mit Fläschchen, in denen flüssiges Licht schimmerte; schließlich ein Wachspuppenhaus, das ständig dabei war zu schmelzen, weil seine kleinen wächsernen Bewohner Flammen anstatt der Haare auf dem Kopf hatten. Bei diesem Fach verweilte ich einen Augenblick, und sie schienen es zu bemerken, dass ich sie beobachtete, denn der Größte von ihnen, von dem ich annahm, dass es sich um das Oberhaupt handelte, stieg von seinem Alkoven auf den Boden herab. Vier weitere Kerzengestalten folgten ihm. Sie marschierten im Gänsemarschzur Tür meines Gemaches, wo sie geduldig warteten, dass ich öffnete.
    Mir kam wieder Mrs. Darrows Bemerkung in den Sinn, dass das Haus wüsste, was seine Bewohner brauchten, denn ein dringendes Bedürfnis meines Körpers drängte mich, mein Zimmer zu verlassen und mich auf die Suche nach einem Klosett zu machen. Und es gab etwas, das ich ganz bestimmt nicht tun wollte, nämlich nachts ohne Mrs. Darrow an meiner Seite durch das Haus zu wandern, egal, wann hier Nacht sein mochte.
    Sie hatte uns versichert, dass wir nichts befürchten mussten. Doch die unheimlichen Geräusche, die aus allen Winkeln und Schatten hervorklangen, ließen diesen Glauben rasch schwinden. Der Ort übte eine Faszination aus, aber er war so bombastisch, dass ich mich des Gefühls nicht erwehren konnte, dass er auch eine dunkle Seite haben musste. Lily hatte bisher nicht enthüllt, wie sie den Weg hierher fand, ganz zu schweigen von dem rätselhaften Mr. Whatley, der sich bisher noch nicht vorgestellt hatte. Ich nahm mir vor, die Kinder sofort nach dem Frühstück nach Everton zurückzubringen. Aber mein vordringlichster Wunsch war es im Augenblick, ein Klo zu finden. Ich zog einen Hausmantel an und öffnete die Tür.
    Die Wachsmänner streckten ihre brennenden Köpfe in den Gang hinaus und blickten in beide Richtungen, bevor sie hinaussprangen. Sie winkten mich vorwärts. Der Korridor war leer, aber erfüllt von denselben Geräuschen, die mich um den Schlaf gebracht hatten. Von einer Tür zur nächsten stapfte ich den Schatten meiner neuen Bekannten hinterher und versuchte mich zu erinnern, welche davon Zugang zu einem Klosett bieten mochte. Die erste, die ich öffnete, führte in eine Art Erdhöhle, wie sie Kaninchen oder Wühlmäuse ausgruben. Aber dieser Bau war fast so groß wie mein Zimmer, und ich war dem Himmel

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