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Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Titel: Charlotte Und Die Geister Von Darkling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Boccacino
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hatten. Es gab eben Dinge, die wichtiger waren als Arithmetik, zum Beispiel das Zusammensein mit ihrem einsiedlerischen Vater.
    »Ja, ich denke, wir sind für heute fertig.« Die Buben sahen einander an und strahlten über ihr Glück. Henry klatschte in die Hände.
    »Ausgezeichnet! Hatten wir nicht eine Verabredung am See?«
    Die Buben fuhren mit ihren Fahrrädern voraus und klingelten begeistert bei jedem Fußgänger, an dem sie vorbeikamen, während ich neben Mr. Darrow fuhr. Wir radelten an der Bäckerei vorbei, an der Metzgerei, dem Schmied und der Konditorei, wo es die Karamellbonbons gab, auf die die Kinder so scharf waren, und ließen die St. Michaels Kirche und das Pfarrhaus hinter uns. Als Blackfield hinter den Ausläufern des herbstlichen Waldes nicht mehr zu sehen war, fanden wir eine grasbewachsene Lichtung am Seeufer. Everton war in der Ferne zu erkennen.
    Es war ungewöhnlich warm für die Jahreszeit, so als hätte sich der Sommer zu einem letzten Auftritt vor dem Winter entschieden. Ich nahm den Picknickkorb von meinem Rad und begann unser Mittagessen auszubreiten, doch hinter mir zogen sich die Buben bereits bis auf die Unterwäsche aus und sprangen in den See.
    »Du meine Güte.«
    Mr. Darrow lachte und ließ sich auf der Decke nieder. »Dann bleibt uns mehr.«
    Ich blickte auf und lächelte unbehaglich.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte er.
    »Ja. Ich fürchte nur, ich bin in letzter Zeit nicht viel zum Schlafen gekommen.«
    »Sie arbeiten zu viel, und das nützt niemandem. Auch nicht den Kindern.«
    »Sie sind sehr lebhaft.«
    »Deshalb möchte ich auch mehr beteiligt sein, so wie jetzt. Ich möchte Zeit mit ihnen verbringen und sie besser kennenlernen. Ich möchte ein Vater sein, und nicht ein Fremder, der schnarchend in seinem Büro sitzt.« Er lächelte wieder, und ich versuchte nicht daran zu denken, wie attraktiv er war, scheiterte aber.
    »Deshalb arbeite ich so gern für Sie, Mr. Darrow. Sie haben ein wirkliches Interesse am Wohlergehen Ihrer Kinder, und das ist mehr, als ich über einige meiner früheren Arbeitgeber sagen kann.«
    »Ich heiße Henry.«
    »Sir?«
    »Sie können mich Henry nennen, wenn Sie möchten. Wir sind hier draußen. Hier gibt es nicht so viele Regeln.«
    »Henry, ich bin immer noch Ihre Angestellte.«
    »Unsinn. Sie sind Teil der Familie. Und ich darf Sie Charlotte nennen, das ist nur fair.«
    »Also gut, Henry.«
    »Charlotte.«
    Wir genossen es, uns anzusehen, ohne Worte, jeder versunken in der Gegenwart des anderen. Dann warfen sich die Buben klitschnass auf die Decke.
    »Wir haben Hunger!«
    »Habe ich euch nicht gesagt, dass ihr euch abtrocknen sollt?«
    »Aber ich bin ein nasser Fisch!« James saugte seine Wangen nach innen und spitzte die Lippen. »Ffieft du?«
    Ich griff nach einem Handtuch und nahm die beiden nacheinander in den Schwitzkasten. Henry beobachtete mit großem Erstaunen, wie ich die strampelnden Körper abtrocknete.
    »Na also! Noch nicht perfekt, aber für den Moment reicht es.« Ich wandte mich ab, um Tee einzugießen, als hinter mir Gekicher erklang, gefolgt vom Geräusch aufspritzenden Wassers. Ich drehte mich zu Mr. Darrow um.
    »Hätten Sie sie nicht aufhalten können?«
    »Ich wollte noch einmal zusehen, wenn Sie sie abtrocknen. Das hat mir imponiert.« Er lächelte vergnügt und lief zum Seeufer.
    »Jetzt wird gegessen, Jungs!«
    Als er sie schließlich aus dem Wasser und selber abgetrocknet hatte (denn ich weigerte mich, ihm zur Hand zu gehen), kam er mit den Buben vom Ufer zurück, wobei sein Blick den ganzen Weg auf mich gerichtet war. Ich spürte plötzlich, wie mein Herz heftiger schlug, und ich war froh, dass er außer Reichweite war, sonst hätte ich die Szene aus seinem Traum wirklich werden lassen und mich vor den Kindern zum Narren gemacht.
    Es war ein wundervolles Gefühl, sich nach all der Zeit im Darkling-Haus wieder in der Sonne zu aalen. Ich breitete mein Kleid über die Decke auf dem Boden und atmete tief die laue Luft des Seeufers ein. Mr. Darrow nahm seinen Hut ab und setzte sich mit einem wohligen Seufzen und einem halben Lächeln. Seine ständig gequälte Miene schien sich zu glätten. Ohne die Augen zu öffnen sagte er: »Würden Sie gern mit dem Boot über den See fahren?«
    »Was für eine hübsche Idee. Sie kümmern sich um das Boot, und ich werde die Kinder auseinanderklauben.«
    Nachdem sie aus dem Wasser gekommen waren, hatten sie zu raufen begonnen, und es war nicht einfach, sie voneinander zu lösen. Paul

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